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In Fieber und Einsamkeit verbringe ich meine Nächte, und am
Tage schlafe ich traumzerrissen und einsam. Der Spät-Nadhmittag
poltert mir in das Ohr. Ich bin unglückzerfetzt und erbost über den
grellen Tag. Meine Geliebte hat mir keinen Brief geschickt. O, wie ich
still in mich hineinschreien und meinen Rumpf verkrampfen muß. Hast
wieder in deiner Neurasthenie gelungert, Mädchen! Warst zu feig
zum Schreiben?! Am liebsten würd' ich dir jetzt lauter Cynismen ins
Gesicht spucken .... Mein Bett ist immer leer/ ich darf mich nicht mit
fremden Leibern beschmieren, weil ich auf dich warte, ferne Quälerin.
Es ist jetzt weißer, siedender Nachmittag mit Geschrill, Gekreisch,
Gelächterfetzen. In der Nacht bin ich magisch oder nahe der jenseitigen
Welt — aber Nachmittags durchrast mich ein Orkan roten Blutes.
Raus aus den wollüstigen Betten und hinein in die erhabenen Räusche
eines Liebesbriefs. Ich schrieb dir sonst vernünftelnde, seichte Briefe.
Damit nun Schluß! Von nun an will ich meine Liebe dir zuschreien,
dich feste rütteln und durch deine Sonntagslangeweile schleifen. Glaube
ja nicht, unsre Liebe wäre ein so banales Täubchengegirr und tempe«
ramentlose Beischläfrigkeit wie all das Erlebte deiner letzten sieben
Jahre. Ins Bett hüpfen mit Idioten ohne Verpflichtung und Angst. Der
reine Betthase warst du und prahltest noch mit deiner Immoralität.
Du wirst es nicht leicht haben mit mir, und das Lotterleben einer Bo«
hemienne wird wie eine reine Kleinbürgerei sein neben unseren fana*
tischen Zinnober-Nächten und Ultramarinblau-Tagen. Habe ich dir
nicht Woche für Woche seitenlange Lyrismen geschickt, Schwindel«
bauten des Herzens, das von Blut überläuft? ! ! Nun will ich kanni
balisch mit dir reden und wie ein Malersmann ....
Wieder ist die Nacht. Wieder umfängt mich Palettengestank. Die
geliebten Malbesen in den Fäusten. Hitzige Gebärden vor Leine
wänden — so geht es Stunde um Stunde. O du aschengraues Mal
atelier, einsames Felsgestade mit den Skeletten verspeister Bücklinge
in den Winkeln und Gerassel der Mäusescharen! Ich trage Nacht für
Nacht meine Inbrünste in dein Geklüfte, und du sagst nicht »Nein«