Full text: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

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ein sinn ig gerichtete um wandelt, wenn man die beiden gegensätz- 
1 i di e n Bereiche ineinander laufen, mit einander verschwimmen läßt ,• 
wo alsdann das eine, ohne allen Gegensatz, in das andre üb er zu gehen 
scheint. Solch einen täuschenden Anschein erhalte ich, wenn ich 
die Sonne, durch ein Prisma, betrachte oderaufeinen Schirm projiziere. 
Das Prisma schiebt hier das Finstrere dermaßen in das Hellere 
hinein, oder umgekehrt, daß dort die beiden Bereiche in Rot, hier in 
Grün, verschwimmen, und man einen sanften Übergang zu 
sehen glaubt, wo bloß eine Brücke über die Kluft zwischen 
Hell und Dunkel sich hin und her schwingt. Der Anblick hier 
quetscht Gelb mit Blau, resp. Orange mit Violett, dermaßen zu 
sammen, daß Grün, resp. Rot den Gegensatz vertuschen, der nunmehr, 
schneidender als je, zwischen Grün und Rot entbrennt — so sehr, daß 
diese eben nicht mehr zusammen erscheinen. 
Man muß sich über Schopenhauer wundern, der von Goethe gelernt 
hatte, diese Ne wtonische Illusion zu durchschauen, und der es trotzdem 
fertig brachte, diesen Kontrast der Farben-Erscheinung aus dem 
Licht <aus der Teilung der vollen Tätigkeit der Retina) entspringen 
zu lassen/ anstatt sich darüber klar zu werden, daß er weder aus dem 
Licht, noch aus der Finsternis, sondern aus dem Sehenden ganz 
allein entspringt,- aus der schöpferischen Überfülle des Gesichts, die 
nicht einseitig, sondern gegenseitig überströmen will. Entdecken wir 
ein solches Mißverständnis bei dem enragiertesten Goetheaner —- wie 
sollten wir nicht auf das allerschlimmste bei den Fachgelehrten, den 
erklärten Vor-Goetheanern gefaßt sein. Sie suchen uns sofort und 
auf der Stelle mit ihrem erstaunlich exakt aufgebauten Lehrgebäude 
zu verblüffen, um uns mund- und augentot zu machen: als ob man 
nicht, auf einer total falsch aufgefaßten Basis, präzis rechnen könnte! 
Sie operieren immerfort mit dem Bild der »Welle«, ohne daß sie es 
fertig brächten, die Schwingungen dieser Welle echt gegensätzlich, gegen 
seitig anzusetzen und zu sehen. Sie sehen die wesentliche Hauptsache 
gar nicht mehr mit eignen Augen, sondern setzen sie, entstellt gesehen,
	        
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