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ANETTE KOLB: EPILOG
ZU DEN BRIEFEN AN EINEN TOTEN
Es gibt Leute, welche die Worte: »Ich bin nicht gekommen den Frie*
den zu bringen, sondern das Schwert« mit besonderer Vorliebe her*
ausgreifen, andere wieder, welche meinen, Christus könne sich unmög*
lieh so geäußert haben. Ich zweifle keinen Augenblick, daß er so sprach,
so wenig ich glaube, daß er dabei an unsere heutigen Stickgase, Flatter*
minen und Sprengbomben dachte. Aber ich weiß eine Schlacht, zu der
ich noch als ein Schatten jubelnd hinstürmen würde, tagte er endlich,
der große europäische Bruch mit unseren Trollen, unseren Ab* und
Unterarten und dem Troß der Seelenlosen, deren Triumph das heutige
Chaos besiegelt. Denn eines Tages werden wir es vor uns herjagen,
das Heer der böswilligen Toren wie der Unterworfenen, nicht länger
gewillt, ihre Übermacht zu ertragen. Von langer Hand ist der Rache
vorzuarbeiten, von jetzt ab schon und inmitten der unerhörten Nieder*
läge noch, welche die Kinder des Lichts von den Söhnen der Finsternis
erdulden. Ist das, was sich heute ereignet, etwas anderes als das er*
weiterte Bild desjenigen Krieges, der unablässig auf der Erde wütet,
das Glück der Familien untergräbt und die Häuser niederreißt? Haben
die Knechtischen jemals aufgehört, den Besonnenen zu verfolgen? Ist
je ein Waffenstillstand zwischen ihnen gewesen? Ließen sie je ab, den
Edlen zu bedrängen, auf daß er stürze oder sein Wirken wieder ver*
eitelt werde? Kein Gesetz, nichts auf Erden störte sie je, das goldene
Saitenspiel seines Herzens zu zerschlagen. Wir wissen genug. Wer
brennenden Auges in diese Welt hineinsah, dem ist dieser Krieg kein
Rätsel, noch die Worte desjenigen, dessen Kommen der Engelsruf
verkündete: »Friede den Menschen, die guten Willens sind,« und der
doch gesagt hat: »Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen,
sondern das Schwert.« Die weit verstreuten Menscßen sind heute
überall die Unterlegenen, die ihre Einigung noch nicht festlegten, um
als das auserwählte Volk — furchtbar genug — den Fuß auf den