Full text: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

13 
ANETTE KOLB: EPILOG 
ZU DEN BRIEFEN AN EINEN TOTEN 
Es gibt Leute, welche die Worte: »Ich bin nicht gekommen den Frie* 
den zu bringen, sondern das Schwert« mit besonderer Vorliebe her* 
ausgreifen, andere wieder, welche meinen, Christus könne sich unmög* 
lieh so geäußert haben. Ich zweifle keinen Augenblick, daß er so sprach, 
so wenig ich glaube, daß er dabei an unsere heutigen Stickgase, Flatter* 
minen und Sprengbomben dachte. Aber ich weiß eine Schlacht, zu der 
ich noch als ein Schatten jubelnd hinstürmen würde, tagte er endlich, 
der große europäische Bruch mit unseren Trollen, unseren Ab* und 
Unterarten und dem Troß der Seelenlosen, deren Triumph das heutige 
Chaos besiegelt. Denn eines Tages werden wir es vor uns herjagen, 
das Heer der böswilligen Toren wie der Unterworfenen, nicht länger 
gewillt, ihre Übermacht zu ertragen. Von langer Hand ist der Rache 
vorzuarbeiten, von jetzt ab schon und inmitten der unerhörten Nieder* 
läge noch, welche die Kinder des Lichts von den Söhnen der Finsternis 
erdulden. Ist das, was sich heute ereignet, etwas anderes als das er* 
weiterte Bild desjenigen Krieges, der unablässig auf der Erde wütet, 
das Glück der Familien untergräbt und die Häuser niederreißt? Haben 
die Knechtischen jemals aufgehört, den Besonnenen zu verfolgen? Ist 
je ein Waffenstillstand zwischen ihnen gewesen? Ließen sie je ab, den 
Edlen zu bedrängen, auf daß er stürze oder sein Wirken wieder ver* 
eitelt werde? Kein Gesetz, nichts auf Erden störte sie je, das goldene 
Saitenspiel seines Herzens zu zerschlagen. Wir wissen genug. Wer 
brennenden Auges in diese Welt hineinsah, dem ist dieser Krieg kein 
Rätsel, noch die Worte desjenigen, dessen Kommen der Engelsruf 
verkündete: »Friede den Menschen, die guten Willens sind,« und der 
doch gesagt hat: »Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, 
sondern das Schwert.« Die weit verstreuten Menscßen sind heute 
überall die Unterlegenen, die ihre Einigung noch nicht festlegten, um 
als das auserwählte Volk — furchtbar genug — den Fuß auf den
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.