136
WIELAND HERZFELDE:
DER LETZTE MENSCH
Nur Knäblein kamen noch zur Welt, so schäumend ward das Blut
der Mütter. Im Springbrunnen seiner offenen Adern versank das
letzte Weib.
Auf Erden wieder Paradies: Stahlkühl die Tage, braun die Nächte,
Morgen und Abend gab es nicht mehr. Die Lust vergessen, auch der
Tod. Wer starb, wurde verbrannt/ der Älteste hielt eine Leichenrede.
Man hörte sie an. Seine Anordnungen gingen widerspruchslos von
Mund zu Munde. Man wohnte beisammen, nicht zu eng. Gleich*
gültig, was ein jeder arbeitete: es mangelte an nichts. Geschrieben
wurde wenig: die Inschrift der Urnen, Kalender, Wetterbericht/ zu*
weilen eine historische, eine astronomische Denkschrift, die im Archiv
Verwahrung fand.
Der Besitz mancher: Träume und Erinnerungen, wurden keinem
zur Sehnsucht, zu Leide/ doch schweigsam schuf das Lauschen die
Menschen. So wenige geworden, daß alle einander kannten, verschloß
sie das Du noch mehr/ zu ruhig gesprochen/ vermochte es nicht der An*
gesichter Grenzen zu lösen.
Keimlos auf Erden das Paradies: Wolken und Lieder gab es nicht
mehr —
Und es versammelte <nur im Archiv war Bericht über solches Ge*
schehn noch zu finden) die Bürger der Erde um sich der Älteste.
Älter wohl war er als seine Vorgänger meist,- und sprach:
Leßencfige!
»Wir waren noch Knaben, noch Kinder, als das Weib, der Erden*
wille, versank. Versank bis in unser Bewußtsein. Tot auch werde
sein, bald, der Erde Sinn, das Geschlecht der Menschen: wir,- uns
überdaure die Kählnis des geistverlassenen Seins —, sagt der Vernunft
eiserner Blick!
Aber ein andres in uns <wir ereifern uns nicht mehr, ihm Namen