Volltext: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

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FRANZ KAFKA: 
EIN TRAUM 
Josef K. träumte: 
Es war ein schöner Tag und K. wollte spazieren gehn. Kaum aber 
hatte er zwei Schritte gemacht, war er schon auf dem Friedhof. Es 
waren dort sehr künstliche, unpraktisch gewundene Wege, aber er glitt 
über einen solchen Weg wie auf einem reißenden Wasser in uner* 
schütterlich schwebender Haltung. Schon von der Ferne faßte er einen 
frisch aufgeworfenen Grabhügel ins Auge, bei dem er halt machen 
wollte. Dieser Grabhügel übte faßt eine Verlockung auf ihn aus und 
er glaubte gar nicht eilig genug hinkommen zu können. Manchmal 
aber sah er den Grabhügel kaum, er wurde ihm verdeckt durch Fahnen, 
deren Tücher sich wanden und mit großer Kraft ancinandersdhlugen,- 
man sah die Fahnenträger nicht, aber es war, als herrsche dort viel Jubel. 
Während er den Blick noch in die Ferne gerichtet hatte, sah er plötz* 
lieh den gleichen Grabhügel neben sich am Weg, ja fast schon hinter 
sich. Er sprang eilig ins Gras. Da der Weg unter seinem abspringen* 
den Fuß weiter raste, schwankte er und fiel gerade vor dem Grab* 
hügel ins Knie. Zwei Männer standen hinter dem Grab und hielten 
zwischen sich einen Grabstein in der Luft/ kaum war K. erschienen, 
stießen sie den Stein in die Erde und er stand wie festgemauert. So* 
fort trat aus einem Gebüsch ein dritter Mann hervor, den K. gleich 
als einen Künstler erkannte. Er war nur mit Hosen und einem schlecht 
zugeknöpften Hemd bekleidet/ auf dem Kopf hatte er eine Samt* 
kappe/ in der Hand hielt er einen gewöhnlichen Bleistift, mit dem er 
schon beim Näherkommen Figuren in der Luft beschrieb. 
Mit diesem Bleistift setzte er nun oben auf dem Stein an/ der Stein 
war sehr hoch, er mußte sich gar nicht bücken, wohl aber mußte er 
sich Vorbeugen, denn der Grabhügel, auf den er nicht treten wollte, 
trennte ihn von dem Stein. Er stand also auf den Fußspitzen und 
stützte sich mit der linken Hand auf die Fläche des Steines. Durch
	        
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