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THEODOR DÄUBLER:
ORPHISCHE NACHT
O Nacht, o unendliche, herrliche Nacht,
Bald wird Dir die Mensdiheit Genesung verdanken!
Du fügst ja, was stürmisdi vom Lichte entfacht,
Ursprünglich, lebendig, auf Erden erwacht,
Allmächtig, allmählich, in zwingende Schranken!
Du willst alle Stürme des Tages entladen.
Du suchst Deine Ruhe in ewigen Kreisen.
Du singst Deiner Schönheit unendliche Weisen,
Um stumm Deine stille Vollendung zu preisen.
Es diditet der Sänger: »Ihr mögt mich zerreißen.
Es siege die selig erhabene Nacht:
Ich habe den Menschen ein Machtwort gebracht.
Nun sollen es andere rauschend verheißen:
Schmerzstillende Mutter, am Ende der Schlacht,
O Nacht, wiederringsumgestirnte Nacht,
Ich kann Dir allein mein Geheimnis beklagen,
Wer Bacchus ist, Dir, die es ahnen muß, sagen,
Denn Er ist so alt wie Du selber, o Nacht:
Und wo Deine Jugend im Urwalde lacht,
Ist Bacchus in Sternen und Blumen erwacht.
Er ist ja die Schönheit und Reinheit der Dinge,
Der Schmelz alles Frischen, die Würde des Alten,
Der Ewigkeit alles durchdringendes Walten:
O laß, daß ich Bacchus, erbleichend, besinge!
O Dionys, Liebe des Mannes und Weibes,
Gynandrische Sehnsucht der beiden Geschlechter,
Enthüllung der Weiche des weiblichen Leibes,
Geschickeverflechter und Freund von Gelächter,
Erfüllung der Reize erblühter Epheben,