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tionen bewahren diesen konkreten Charakter. Auch wenn er das
Unsagbare sagen will, und wenn er sagen, fast stammeln will, daß es
unsäglich ist, schreit er wie aus tiefster Besinnung zum Beginn des
Gedichts etwa auf:
Das da ist in mir - ich weiß nicht, was es ist - doch i<d) weiß, es ist in mir
und schafft uns dadurch sofort die Stimmung des leibhaftigen Erlebens.
Daß übrigens die konkrete Aufzählung einzelner Wirklichkeiten,
die zu einem Ganzen gehören, selbst ohne Ausdruck der Empfindung
des Miterlebenden, wenn die angeführten Tatsächlichkeiten nur von
starker Sinnfälligkeit erfüllt sind, wie ein Gedicht wirken kann, möchte
ich an einem Beispiel zeigen, mit dem ich schon ab und zu Freunde
hineingelegt habe. Wie mancher möchte das folgende für ein Gedicht
Whitmans halten, das etwa den Titel »Nacht im Feldlager« führen
könnte:
Werda! der Schifdwache vorm Zeft.
Werda! der Infanterieposten.
Werda ! wenn die Runde kam.
Hin” und Wiedergehen der Schifdwache.
Geklapper des Säbels auf dem Sporn.
Beden der Hunde fern.
Knurren der Hunde nabe.
Kräben der Häbne.
Scharren der Pferde.
Schnauben der Pferde.
Häckerfingscbneiden.
Singen, Diskurrieren und Zanken der Leute.
Kanonendonner.
Brüden des Rindviehs.
Schreien der MauCesef.
So, in scheinbare Verse abgeteilt findet sich das bei Goethe. Sind aber
keine Verse, sondern ein Versuch, bei Gelegenheit der Belagerung
von Mainz, »die mannigfaltigen fern und nah erregten Töne« »genau
zu unterscheiden« und aufzuzeichnen. Ich kenne manches »impres*
sionistische« »Gedicht« manches Modernen, das schlechter ist als
dieser Tönekatalog Goethes.