Volltext: Der Almanach der Neuen Jugend auf das Jahr 1917 (1)

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anstrengung? »Nur der verdient sich Freiheit und das Lehen, der tag® 
lieh sie erobern muß.« Selbsteigne, innerste Freiheit von aller Welt 
ist gerade die Äußrerin, die Schöpferin aller Welt. Wenn nun diese ge® 
samte Welt nur die automatische Äußerung der gänzlich spontanen, 
absoluten Freiheit — wenn sie die unwillkürliche Maschinerie gerade 
der innerstenWillkür ist: wie sollte sie nicht zur Fratze verzerrt werden 
müssen, sobald Freiheit frei zu sein vergißt,-sobald sie sich selber auto® 
matisch nimmt, sich in sich selber gehen läßt, in Schlendrian verfällt, 
sich menschlich, allzu menschlich anstatt göttlich®schöpferisch erlebt? 
Selbstvergessne Freiheit ist so gut wie gar keine. Welt, ohne diesen 
Ursprung aus der Freiheit, ist ein Gefängnis, ein Zucht® und Irren® 
haus, eine Strafanstalt, eine Kaserne, ein einziger Krieg zwischen Auf® 
sehern und Bewachten, wobei die Aufseher so frei sind wie die Ein® 
gesperrten,-ein bloßer Staat ohne innersten Sinn,-ein wohl organisiertes 
Werkzeug ohne Meister und Zweck,- ein automatisches Klavier ohne 
den den Erfinder inspirierenden Komponisten und ohne Publikum — 
wie lange wird es spielen? wie schlecht und schlechter, bis alle Saiten 
schlottern. Freiheit bedeutet die Welt als ihre echte, stichhaltige, folg® 
lieh friedliche Äußerung, worin die notwendige Unterschiedlichkeit und 
Gegenseitigkeit nicht kriegerisch dissoniert, sondein friedevoll harmo® 
niert,- sie bedeutet die Musik, die Kunst, nicht aber die Chaotik der 
Welt. Wähnt ihr nun, eure Wahrnehmung werde euch unwillkürlich 
das Rechte zeigen, wenn ihr ohne jene göttlich eigne Gesinnung seid? 
Diese Gesinnung erst nimmt wahr,- eure Wahrnehmung ist nichts 
weiter als die Selbstverwahrlosung dieser göttlichen. Der steril auto® 
matisdhe Begriff eurer selbsteigenen Göttlichkeit chaotisiert den Kos® 
mos. Das eigne Innere ist nicht nur menschlich, als das private Innere 
eines einzelnen, sondern göttlich individual als das universale Welt® 
Innere zu halten: dieser universale Egoismus erst beflügelt die Räder 
des privaten. Auch eureWahrnehmung ist erst »privat« in desWortes 
budistäblicher Bedeutung,- ihr seht: gegenseitig noch gar nicht zusam® 
menpassende Ausschnitte der Welt, noch keine Welt, kein Universum.
	        
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