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LEONHARD FRANK:
DER VATER
„Ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch gewiesen,
daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?
Es ist schon die Axt an die Wurzelgehegt. Darum
wefcher Baum nicht gute Trucht bringt, wird ah»
gehauen und ins Teuer geworjen. ”
Robert war Servierkellner in einem Hotelrestaurant. Gewöhnlich.
Blond. Und wenn er, in devoter Verbeugung erstarrt, vor dem Gaste
stand und eine Bestellung entgegennahm, kroch der Gedanke durch
sein Gehirn: jeder andere Beruf verträgt sich eher mit der Menschen
würde. Er war Kellner in einem deutschen Hotelrestaurant.
Auf ihn wirkte das hingeschobene Trinkgeld wie eine Ohrfeige, für
die man sich bedanken mußte. Und wenn das Trinkgeld von einem
Gaste kam, der ärmer als der Empfangende war, stieg aus Roberts
verletzter Menschenwürde sichtbar die Verachtung empor, steigerte
sich manchmal zu Rachsucht und Frechheit. Es kam vor, daß Robert
solch einem Gaste das Trinkgeld zurückschob. Vornehmen Gästen
Kredit zu gewähren, war ihm eine Erlösung.
Im Jahre 1894 bekam seine Frau den lange vergeblich erwarteten
Sohn. Und Roberts Liebe stürzte sich auf dieses Kind. Das bekam
alles: Kinderzimmer, sterilisierte Kindermilch, einen federnden Kinder»
wagen, einen weißlackierten Stall, Hampelmänner. Später Dampf»
maschinellen, Eisenbahnen, Luftballons, Trommeln, Säbel, Schieß»
gewehrchen, Bleisoldaten. Später ein Spazierstöckchen, einen Matrosen»
anzug mit einer Mütze, auf der stand »S.M.S.Hohenzollern«, einen
rindledernen Bücherranzen, eine Rechenmaschine mit roten und weißen
Kugeln, einen polierten Griffelkasten.
Der Sohn bekam Geigenstunden, mußte Klavierspielen lernen.
Und durfte das Gymnasium besuchen. Er sollte studieren. Nicht
Kellner werden. Schon mit zehn Jahren besaß der Sohn ein Fahrrad.
Und gehörte mit zwölf Jahren der patriotischen Jugendvereinigung an.