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war nicht Nebel und nicht Luft. Es war das absolute Nichts. Und
daran sollte er sich halten. Sein ganzes Leben lang. Hinter ihm lag
nichts und vor ihm lag nichts. Robert stand in der Mitte auf dem Nichts.
Seine Hände servierten, quittierten, empfingen Trinkgelder. Wofür?
Es gab keine Banknoten mehr. Und sein Sparkassenbuch war für ihn
das Feld der Ehre. Und das Feld der Ehre war nicht begreifbar.
Robert gab die besten Zimmer auf Wunsch um die Hälfte des fest«
gesetzten Preises ab, gab noch einen Salon dazu, ein Badezimmer.
Wurde zum Servierkellner degradiert. Gab im Restaurant ohne Wider
streben die teuren Speisen und Weine billiger ab, wenn den Gästen
die Rechnung zu hoch erschien. Wurde daraufhin nur noch zur Mit
hilfe heran gezogen, wenn im großen Hotelsaale ein Fest, eine Ver
sammlung war.
Gab es etwas Gleichgültigeres, als aus der Lebensstellung ver
drängt worden zu sein? Das alles war nur das Feld der Ehre. War
ein vollkommenes Nichts.
Oft fand er sich in seines Sohnes Zimmer, wo er während des Krieges
die Photographien, Kinderkleidchen, Säbelchen, Trommelchen, Ge-
wehrchen, Bleisoldaten zusammengetragen hatte, und empfand nichts
beim Betrachten dieser vergilbten und verkratzten Überbleibsel, ging,
automatisch wie er eingetreten war, wieder hinaus.
Dieser Zustand, in dem Robert sich nur noch wie eine Maschine
bewegte, dauerte wochenlang, bis eines Tages der Mensch in ihm die
Kraft fand, sich dem Schmerze zu stellen. Seiner Hand entfiel die Photo
graphie des Söhndhens —- in Infanterieuniform, mit präsentiertem Ge«
wehrchen — und Robert sauste, von einem Dampfhammerschlag ge
troffen, hinunter in den Abgrund, das Herz bloßgelegt dem Schmerze
und der Liebe. Robert schrie. Nur einmal. Und ganz kurz.
Von etwas Unnennbarem berührt, wich er der Erlösung, die im
Schmerze liegt, aus.
Und als seine Frau ihn trösten wollte mit den Worten, die sie von
dem unter dem gleichen Leide stehenden Kolonialwarenhändler, Bäcker,