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der Serviette an die Brust: »Ich bin schuld. Und du bist schuld. Und
du und du, nidit mehr und nicht weniger als der Zar, der Engländer,
der Kaiser und der Milliardär. Denn auch die nur hatten, ebenso wie
wir, die Liebe vergessen. Nehmt die Schuld auf euch, damit ihr der
Liebe wieder teilhaftig werden könnt. Denn nur, wer hier sich schuldig
fühlt, kann entsündigt werden und wieder lieben.«
»Und jetzt wisset: die Liebe trägt in sich ein hartes Gebot. Die
Liebe sagt: wer nicht liebt, ist schuldig und böse und soll weichen,
damit der Liebe auf Erden keine Schranken mehr gesetzt werden
können. Wir wollen fallen und sterben dafür, daß der Liebe die
Regierung Europas übergeben werde.«
Die Menschengesichter unten im Saale waren aufgelöst.
Weitersprechend stieg Robert vom Podium herunter. Alle waren
aufgestanden, drängten ihm nach.
»Das Gebot der Liebe ist: wer sich nicht schuldig fühlt, die Schuld
nicht auf sich nimmt, liebt nicht, ist unser Feind und muß weichen.
Das ist Gesetz. Neues Gesetz! Ihr, die ihr nichts mehr verlieren
könnt/ da ihr alles schon verloren habt...«
Roberts Worte gingen unter in den hundertstimmig wiederholten
Worten: »Alles verloren! Wir haben nichts mehr zu verlieren! Wir,
die wir nichts mehr zu verlieren haben... Nichts! Nichts!«
Die Nachricht hatte sich schon verbreitet, als sie durch die Straßen
zogen. Voran der Kellner, ohne Hut/ im schmierigen Smoking, die
Serviette in der Hand, »Die wollen Frieden machen. Die wollen
Frieden machen.«
Verkäuferinnen — verwaiste Bräute — verließen den Ladentisch und
schlossen sich an. Zwei Schaufensterreiniger — alte Männer — ließen
die Leiter stehen und schlossen sich an. Der Wagenführer der Elek
trischen hörte das Wort »Friede«, erstarrte und sprang vom Wagen
herunter/ schloß sich an. Die Fahrgäste schlossen sich an. In wenigen
Minuten hatte sich die Menge verdreifacht. Und verzehnfachte sich,
als Robert, auf dem Platze angelangt, auf der Brunnenschale stand