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M y n o
na/Kaffee
Nun überlegte sich der goldbraune Messias nicht mehr lange, an
wen er sich zu wenden habe, sondern ging stracks und fast so gut
wie stehenden Fußes zu Frau Neugedachter, einer vieleckigen und
mannigfach erfahrenen Perlendreherin, verstehen Sie? Über Prome
naden läßt sich streiten; sie führen zu nichts, und nachher entsteht
Zank. Es handelte sich offenbar um Kaffee, der bekanntlich mittler
weile sehr knapp geworden war. Elsie Neugedachter, blaues Perlen
gehänge (selbst gedreht!) am Ohr, zerkaute eine Mokkakaffeebohne
unermüdlich zwischen ihren Mausezähnen, und der Messias — ach
ach ach! — atmete lang (wie der Taucher in Schillers Ballade) und
atmete tief den aromatischen Hauch ein, der kräftig von ihren Lippen
strömte, während sie ihm erklärte: und wenn Sie tausend und ein Mal
der Messias und womöglich gar Exzellenz wären — schau’n Sie mich
an, lieber Mensch, für mich bleiben Sie Na, unterbrach er
sie sehnlich, kaffeedurstig, na was bleib ich denn? — Ein Mann, schrie
sie herzzerreißend auf, ein Mann! Der Messias mochte ihr nicht gern
unrecht geben; er war noch nicht lange Messias (erst auf dem letzten
Kostümball hatten sie ihn dazu ernannt, weil er rote Wangen bekam,
trotzdem in seinen Augen das Mitgefühl mit der haute volee thränte,
und seine Beine einen schmachtenden Gang an sich hatten).
Aus Frau Neugedachter (sie drehte ihre Perlen wirklich selbst;
confer den Linsenschleifer Spinoza; auch jeder Hohenzoller lernt außer
Mund- noch Handwerk) wurde der Messias nicht schlau. Daß er ein
Mann war, stimmte; Beß Brenk behauptete sogar, er habe das mal
geträumt. Aber was folgte daraus? Darüber dachte der Messias mit
gefurchter Stirn (Sie wissen: so wie Eucken, wenn er über Montaigne
redet und zwar von oben herab) langsam nach — sie meint doch nicht
etwa . . . .?
Und gerade das meinte sie. Aber man soll ihr auch nicht Un
recht tun: ihr lag verzweifelt wenig an irgend welchem intim leiblichen
Zusammenhang mit dem goldbraunen männlichen Geschöpf. Sie hatte
nur mal irgendwo, wahrscheinlich von Friedrich Wolfgang von Goethe-
Schiller, dem bekannten deutschen Doppelmenschen vor dem Weimarer
Theaterreichstag, gehört, ein guter Mann werde durch ein Wort der
Frauen weit geführt. Sie getraute sich, den unheimlichen Kaffeedurst
des guten Jungen zu benutzen, um ihn noch weiter zu führen, die
Schelmin. Sie hauchte ihm die würzigsten Duftwellen zu; da hing er
an ihrem Munde, der die Form eines verrenkten Hufeisens, mit der