Der Mensch
in seiner Form isf ein Bruder des Kosmos.
Meine Vorstellung von Natur ist immer innerlich verbunden mit dem Vorstellungs-
Erzeuger, und dieser ist der Sinn der Bewegung, ein sechster Sinn, der Bewegung
denkt und Bewegung macht. Er ist sowohl Vater des Blutkreislaufs als auch Vater
des Gedankenlebens. Es kommt also bei der Darstellung des Menschen die bisher
nicht gemachte Forderung hinzu, ihn als äussere Totalität mit meiner inneren Körper
totalität in Beziehung zu setzen. Meine innere Körperfotalität ist die des gesamten
Erdballs plus der des unendlichen Raumes. Bringe ich den Menschen vor einem
Stüde Rasen, Wald und Himmel zur Darstellung, in naturalistischer Weise, so will ich
den Schein erwecken, dies Stück Rasen, Wald und Himmel sei Totalität, und mich
selbst, dessen Gleichnis ich in diesem Bilde sitzend, stehend oder liegend darstelle,
midi selbst zwinge ich zu Gunsten der naturalistischen Weltfälschung eine Fälschung
meines Menschenerlebnisses vorzunehmen. Das heisst: da der Naturalist das Erlebnis
des universellen Raumes und die Vorstellung des gesamten Erdballs nicht in sich
schliesst, so hat sein Naturerlebnis dieselben Mängel wie der Naturalist selbst. Haben
Wir aber das Erlebnis des universellen Raumes und mit ihm die Vorstellung des
ganzen Erdkörpers, so isf dieses Erlebnis gleichzeitig der Komplex von Bewegtheiten,
kosmischer Bewegtheiten und fellurischer Bewegtheiten. Niemals wird die geo
metrische Erklärung zu den wirklichen Kraftbeziehungen des Geistes hinaufreichen.
Denn von dem Augenblick an sind alle Kraftbeziehungen geistig, sobald das Verhältnis
von Ursache und Wirkung als subalterne Erklärung von Vorgängen höherer Ordnung
ausgeschalfef wird. Aber alle Vorgänge sind Vorgänge höherer Ordnung.
Nun gut, geben wir zu, dass wir einen solchen Weg einschlugen, um uns der
höheren Ordnung zu nähern. Geben wir zu, dass alle Voraussetzungen, mit denen
wir denken, experimentieren und analysieren, nur innerhalb des Denk- und Vor-
sfellungskreises Gültigkeit haben, der nur ein begrenztes Ausmass unserer Denk- und
Vorstellungsfähigkeif beansprucht. Die ursprünglich geprägten Denk- und Vorstellungs
symbole sind zu wahren Tyrannen der grossen Seelenmächfe geworden, deren Lebens
quell es isf, mit den grossen Ganzheiten und Unendlichkeiten in Verbindung zu bleiben,
in denen sie die Gottheit lebendig fühlen.
Geben wir es zu, daß die triumphierende Logik ihre eigene Jugendqual ver
gessend, mit der sie kindlich, jung und ehrlich um das Erfassen des Unfassbaren rang,
dass diese Logik in dem eigenen Erlahmen ihrer jungen Wünsche sich das Quiefiv
einer alfersscharfen Selbstanalyse schuf, die ihre Kraftlosigkeit zur Norm nahm, und
sie als eine Forderung nicht nur aufsfellfe, sondern sie physiologisch umsefzfe. Wir
werden diese Logik nicht anders überwinden, als dass wir uns physiologisch, also
auch psychisch, also auch geistig ihrem Bann und Ein wirken entziehen. Und das tun
wir dadurch, dass wir uns weigern, in ihrer Systematik zu denken; dass wir uns
weigern, ihre Ergebnisse nadizuprüfen, dass Wir ihr die Möglichkeit aberkennen, irgend
welche Wahrheiten zu erfassen oder gar zu beweisen, die in unserm Prozess der
sich umbildenden Physis, Psyche und Geistigkeit am Werke sind.
Wir verzichten auf diese Logik und ihren Kausalnexus und wir erklären, dass
sie für uns aufgehörf hat zu existieren. Wir fangen von vorne an, mit der Um
bildung unseres Leibes durch den Geist, der immer stärker an allen Türen rüttelt, die
lange vor ihm verschlossen waren. Otto Freundlich