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Franzosendämmerung
D er Krieg zerriss brutal die Fäden reger geistiger Beziehungen, die die europäischen
Völker vordem untereinander verbanden, überrascht und erstaunt erkannte der
deutsche „Geistige", dessen Meinung sich von der allgemeinen Uniformierung befreien
konnte, auch bei den Kultur- und Bildungsgrössen der Feindländer die plötzliche Un
versöhnlichkeit, die ihm die Schwertpolitiker seines Landes eingebracht hatten. Trotz
der Kriegswut 1914 und des eingeimpffen „Gott strafe England" kämpfte ja Deutschland
gegen keinen seiner Feinde mit echtem Hass. Selbst der verlorene Krieg und der
Vertrag von Versailles konnten bei uns nicht den Hass erwecken, der unsere Nachbarn
jenseits des Rheins von jeher beseelte und auch die Sieger heute noch erfüllt. Die
warmen Sympathien besonders, die die deutsche Kunsfgemeinde für die französische Kunst
hegte, wurden kaum jemals vermindert. Ein einseitig interessierter Kunsthandel und eine
mit ihm laufende Literatur und Presse hatten in Deutschland eine große Begeisterung
für den französischen Impressionismus entzündet, die immer neu geschürt nicht ein
zudämmen war. Von nationalistischer Seite wetterte zwar bei Kriegsbeginn eine
Reaktion in übertriebenem Masse gegen die französischen Einflüsse. Sie wurde bald
abgewiesen. — Karl Schefflers Worte, die auch Otto Graufoff seinem jüngst erschienenen
Buche über die französische Malerei seif 1914 voransefzf, brauche ich hier nicht zu
wiederholen. Sie sind vorbehaltlos zu unterschreiben. — Schon lange vor Kriegsende
scharwenzle der Berliner Kunsfhandel wieder vor seinen Lieblingen und veranstaltete Aus
stellungen französischer Maler — in der Schweiz, übertrieben wie die Hetze blinder
Patrioten war die Liebäugelei andererseits, die den Deutschen ehedem in unwürdige
Abhängigkeit gebracht hatte. Zweifellos war der Impressionismus und seine Nachzeif
eine bedeutende Angelegenheit Frankreichs. Zur Blütezeit impressionistischer Malerei
war der französische Einfluss in allen Ländern erkennbar. Nur fühlte man bei uns
nicht, dass diese Kunst des nur sinnlichen Eindrucks dem deutschen Wesen fremd war.
So verschrieben sich vor allem die nicht selbst schöpferischen Kreise in Deutschland
ein für allemal der Franzosenmalerei, sodass sie auch heute, nachdem sich die Lage der
modernen Malerei völlig verschoben hat, wieder alles Heil aus Paris kommen sehen.
Künstler, Kunstwissenschaftler und -referenfen pilgerfen auch lange nach der im
pressionistischen Epoche noch begeistert nach Paris und nahmen alle Regungen der
französischen Kunsfseele als Offenbarungen auf. Da zumal die Nichfkünsfler meist
nur das begreifen und aufnehmen können, was sie gelernt haben — schulmässig
oder aus Erfahrung, so bildete das Pariser Studium die dauernde Grundlage ihrer
gesamten Kunstanschauung. Die meisten der heute einflussreichen Kunsfschriffsfeller
und sonstigen Kunsfmenschen in Deutschland stützen ihre Meinung auf diese Kunst
bildung. So kommt es, dass sie gemeingültig als Kunst erkennen, was off nur eine
Angelegenheit des leichten Handgelenks und der alten Geschmackskulfur des Franzosen
ist. Zu dieser beschränkten Einstellung kommt die dem Deutschen eigene übermässige
Vorliebe für alles Ausländertum überhaupt hinzu. Heute, nachdem kaum die lange
unterbrochenen Beziehungen zu den ehemals feindlichen Ländern wieder aufgenommen
worden sind, hasten nun Kunsthändler und -Schriftsteller wieder in lächerlichem Wett
streit um jede Gelegenheit ihre Ausstellungen und Kunstblätter mit ausländischer
Kunst zu füllen. Man überbiefef sich in Lobhudeleien, und wieder ist es Paris, das
über alles gestellt wird. Vom Kunsthandel geht die Parole aus und die Andern
schreien sie nach. Natürlich lässt sich der Kunsfhandel nur vom Geschäftsinteresse
leiten. Er hat sich fesfgerannf, und gefüllte Lager zwingen ihn die Konjunktur
hochzuhalfen. Wir erleben das beschämende Schauspiel, dass man lieber