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jemandem zeige. Dann freue ich mich immer, dass die
Menschen den Begriff Zeit gebildet haben, und dass ich
mich noch entwickeln kann. Ich meine, dass ich weiss,
dass noch Gegenwartsmomente vor mir stehen, in denen
ich etwas Vernünftiges leisten kann. —
Soest, 26. 4. 12.
Man hört jetzt soviel von den Futuristen. Ich habe
mal über die Kerls nachgedacht. Ich glaube, dass das
alles verkappte Impressionisten sind. Ob man nun solche
tolle Impressionen hat oder ob man zahmere hat, das ist
doch eigentlich Temperamentssache jedes einzelnen.
Darum gehen die Leute aber doch nicht über den Im
pressionismus hinaus. Im Prinzip kennen diese Maler
Materie und Seele. Millet und Segantini stellten nun
Materie und Seele der objektiven Welt dar, nur dass
Segantini dann noch eine subjektive Farbensyntetik hin
zusetzte. Die reinen Farbensyntetiker Hessen das Leben
in der Natur Leben sein und gestalteten mit ihrer eigenen
Seele die Materie persönlich. — Ich denke jetzt an Maler,
deren letzte Art Seurat und Signac waren. Man spricht
so viel von den Kubisten. Aber ob man nun schliesslich
die Natur in Würfel stylisiert oder in Punkten wie die
Pointilisten — ist doch im Grunde egal, es ist doch nur
, Impressionismus, nur dass er anders angewandt ist.
Ebenso ist es meiner Ansicht nach mit der Fläche im
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Sinne Pechsteins usw. Rembrandt kannte auch Seele
und Materie, nur dass er die Materie nicht mit Farbe
belebte, sondern dass er sich der schwingenden Materie
des Lichts bediente — um die scheinbar festgefügten
Körper zu beleben. Wir müssen nicht insofern über
den Impressionismus hinausgehen, dass wir nur die Aus
drucksmittel ändern, ich meine jetzt eiwas wie Kubismus,
Futurismus oder Pointilismus, sondern wir müssen über
den Impressionismus als Weltanschauung hinausgehen. —
Soest, 7. VI. 12.
Dann habe ich noch einige Bilder gemalt von
der Natur und habe die Natur in Farbenflammen aufgehen
lassen. Auf den Bildern ist ein Gezüngel und Geflamme.
Ich versuche und versuche. Mir fehlt irgend etwas was
ich noch nötig habe. Das Gefühl verlässt mich einfach
nicht. Ich habe es schon immer gehabt. Ich habe schon
nachgedacht, was das wohl sein könnte und bin dabei
auf die drolligsten und verrücktesten Ideen gekommen.
Manchmal möchte ich überhaupt so einfach mit dem Spazier
stock in die Welt wandern um auszusuchen.
Sie hatten mir geschrieben meine Sachen wären starr
geworden und das käme daher, dass ich zu rasch vorwärts
wollte. Sie haben da ganz recht gesehen. Ich wollte zu
rasch mit zuviel Gewalt vorwärts, dadurch ist in mir eine
Lücke entstanden. Ich habe den Faden verloren. Die
Materie und überhaupt die ganze Natur ist nun aber mal
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in meinen Leib zusammengefasst. Und diese Natur muss
ich langsam wegräumen. Langsam Schritt für Schritt muss
ich den Gott, der an meinen Leib gefesselt ist, lösen. —
Ich will Schritt für Schritt meinen Leib auflösen um den
lebendigen Geist zu gebären. Ich frage den Willen, geht
es garnicht anders. Da sehe ich nur ein Nein. Ich kann
nur Künstler werden, wenn ich mich selbst zertrümmere.
Tue ich das nicht, dann gelingt es mir nie, die Unend
lichkeit zu erleben, noch viel weniger mitzuteilen. Ich
habe mich mit der Tatsache der Opferung abgefunden
und lächle darüber, dass der Wahnsinn mich erwartet.
In Köln *) habe ich auch ein Bild von Kokoschka
gesehen. Wenn man den Sturm gelesen und sich was
überK. erzählen lassen hat, erwartet man etwas Besseres. —
Etwas enttäuscht war ich von Munch, den Kerl muss ich
mir mal näher ansehen. Jetzt habe ich auch einmal van
Gogh gesehen. Was ist das ein Mensch! Einen sonder
baren habe ich noch nicht gesehen, den ich nicht kannte,
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wohl dem Namen nach, aber nicht Bilder: Picasso. —
Der hatte einige Bilder da, die waren aus lauter Formen
zusammengesetzt. Leider waren die Sachen etwas starr,
sie wirkten wie Eisengerüste. Dieser Gefahr scheinen
überhaupt alle Leute ausgesetzt zu sein, die reine Kom
position wollen, also nehme ich mich davor in acht. Eine
Möglichkeit ist das schon, ich meine Picasso, nur glaube
ich, dass das auch nur ein früher Versuch ist, diese Dinge
werden einmal ganz anders erfüllt werden.
Russland, 29. 5. 15.
Am liebsten haute ich ab und strolchte so in der
Welt herum. Ich habe überhaupt meinen eigentlichen
Beruf jetzt entdeckt. Ich habe nämlich keinen Beruf.
Ich fühle mich zu nichts eigentlich berufen, als wie so
nichts tun, die Welt ansehen, herum vagieren usw.,
manchmal denke ich denn so, sch- der Hund druf
oder so was Ähnliches. Wenn ich mir dann so recht
meiner Taugenichtigkeit bewusst geworden bin, dann
setze ich mich hin und fange an zu geigen. Natürlich
ist dies auch zu nichts nutze. Es lebe die Nichtsnutzigkeit
und ganz Polen mitsamt allen seinen Juden, Russen,
Sibiriern und weiss Gott mit was für Völker noch! Wie
ich schon schrieb, vagierte ich am liebsten los.
Ich habe keine Ruhe mehr. Eine dunkle Macht, der
Geist der Erde treibt mich einem fernen Ziel zu. Dazu
kommt dann noch der Kontur. Alle Bilder, die ich so
malen wollte, die ich aber leider nie gemalt habe, gehen
mir durch den Kopf. Manchmal weiss ich tatsächlich nicht,
wie ich mir helfen soll. Meistens mache ich es so, dass
ich und meine Gruppe ein höllisches Feuer auf die Russen
loslasse. Neulich habe ich mal 6 Handgranaten in den
russischen Schützengraben geschmissen. Da hat es aber
geprasselt. Am anderen Morgen lagen da die Brüder.
Solche Handbomben wünsche ich mir so für später zum
Hausbedarf. Das sind famose Aster, bei denen wackelt
die Wand. Na um auf die Bilder zurückzukommen. Ich
glaube, dass ich bald daran gehen kann, sie zu malen.
Nur dieser Simson und der Holzarbeiter machen mir viel
Sorge. Ich versuche und versuche, die Konturen sausen
in die Wolken hinauf und um die Erde herum. Aber
keine Erlösung, keine Erlösung. O weh, o weh. —
Neulich ist mir mal der alte Rembrandt erschienen. Er
sagte mir, ich will Dir helfen, achte genau auf alles, dann
verschwand er grinsend und mit dem Kopfe wackelnd.
*) Sonderbundausstellung; dort sah auch Morgner die
ersten van Gogh, während die Bilder Morgners, in denen
man ihm den Einfluss von van Gogh zum Vorwurf macht»
1911 entstanden sind.