das Bild aus Teilimpressionen aufbauten, ähnlich wie im 1 Film der Eindruck des Sehens
sich aus den schnell aufeinanderfolgenden Momenten ergibt; während aber der Film
beweglich ist, wie das lebende optische Bild auch, weil das Zeitliche als Nacheinander
hinzutritt, fehlt diese Möglichkeit natürlich bei Delaunay oder den Futuristen."* Kandinsky
war einer der ersten, die die Rhythmisierung der Bildelemente auf musikalischen
Analogien nach einem inneren Klang unter völligem Verzicht auf Gegenständlichkeit
Vortrieb. Das Wesentliche der neuen Kunst war also zunächst eine Loslösung von
der fixierten Optik des Helldunkels, der Perspektive und der Komposition um einen
Bildmittelpunkt, den etwa eine Figur oder irgend ein Gegenstand in der älteren Kunst
gebildet hatte: man war destruktiv statt konstruktiv geworden, man löste die bisherigen
Bildeinheiten ebenso auf, wie man etwa versucht, eine alte Rechts- oder Staatsform
aufzulösen. Diese Verfuche entsprechen einer geistigen Form des Lebens, einer ge
forderten Wahrheit statt einer blossen Anerkennung der gegebenen Wirklichkeit; auf
diesem Wege liegt das weitere Fortschreiten wenigstens der Malerei, von der gewöhn
lichen, sogenannten optisch-richtigen Darstellung z. B. des spektralen Impressionismus
schreiten wir weiter fort, nicht zu einer Mystik, sondern zur solaren Optik, zum wahren
Wesen des Lichtes und der Farben, zu ihrer Dynamik. Die Newtonische Optik und
die Perspektive als praktische Darsfellungsmittel werden wir nie entbehren können,
aber in der Kunst können wir die Gegenständlichkeit und die Perspektive beiseite
legen. In der Weiterentwicklung der optischen Probleme harren unserer noch viele
Überraschungen — es wird in der neuen Kunst, die sich vielleicht der elektrischen
Formen der mobilen Farben des Amerikaners Wilfred bedienen wird, keinerlei
Komposition im bisherigen Sinne mehr geben. Es wird nur Spannungsverhältnisse,
Beziehungen farbiger oder formaler Elemente zu einander geben — und diese'können
nur diagrammatisch, aus dem Wesen der Wellenbewegung gestaltet werden. Wir
wissen nicht, wie die neue Kunst beschaffen sein wird, aber sie wird einem Menschen
typus entsprechen, der uns nicht gleicht und der unsere Sehnsüchte und Sentimentalitäten
nicht mehr kennt; seine Kunst wird andere Aufgaben haben als die unsere — aber
sie wird lebendig seiner Lebensgestaltung verbunden sein.
R. Hausmann