Volltext: Veröffentlichung der November Gruppe (1(1921))

das Bild aus Teilimpressionen aufbauten, ähnlich wie im 1 Film der Eindruck des Sehens 
sich aus den schnell aufeinanderfolgenden Momenten ergibt; während aber der Film 
beweglich ist, wie das lebende optische Bild auch, weil das Zeitliche als Nacheinander 
hinzutritt, fehlt diese Möglichkeit natürlich bei Delaunay oder den Futuristen."* Kandinsky 
war einer der ersten, die die Rhythmisierung der Bildelemente auf musikalischen 
Analogien nach einem inneren Klang unter völligem Verzicht auf Gegenständlichkeit 
Vortrieb. Das Wesentliche der neuen Kunst war also zunächst eine Loslösung von 
der fixierten Optik des Helldunkels, der Perspektive und der Komposition um einen 
Bildmittelpunkt, den etwa eine Figur oder irgend ein Gegenstand in der älteren Kunst 
gebildet hatte: man war destruktiv statt konstruktiv geworden, man löste die bisherigen 
Bildeinheiten ebenso auf, wie man etwa versucht, eine alte Rechts- oder Staatsform 
aufzulösen. Diese Verfuche entsprechen einer geistigen Form des Lebens, einer ge 
forderten Wahrheit statt einer blossen Anerkennung der gegebenen Wirklichkeit; auf 
diesem Wege liegt das weitere Fortschreiten wenigstens der Malerei, von der gewöhn 
lichen, sogenannten optisch-richtigen Darstellung z. B. des spektralen Impressionismus 
schreiten wir weiter fort, nicht zu einer Mystik, sondern zur solaren Optik, zum wahren 
Wesen des Lichtes und der Farben, zu ihrer Dynamik. Die Newtonische Optik und 
die Perspektive als praktische Darsfellungsmittel werden wir nie entbehren können, 
aber in der Kunst können wir die Gegenständlichkeit und die Perspektive beiseite 
legen. In der Weiterentwicklung der optischen Probleme harren unserer noch viele 
Überraschungen — es wird in der neuen Kunst, die sich vielleicht der elektrischen 
Formen der mobilen Farben des Amerikaners Wilfred bedienen wird, keinerlei 
Komposition im bisherigen Sinne mehr geben. Es wird nur Spannungsverhältnisse, 
Beziehungen farbiger oder formaler Elemente zu einander geben — und diese'können 
nur diagrammatisch, aus dem Wesen der Wellenbewegung gestaltet werden. Wir 
wissen nicht, wie die neue Kunst beschaffen sein wird, aber sie wird einem Menschen 
typus entsprechen, der uns nicht gleicht und der unsere Sehnsüchte und Sentimentalitäten 
nicht mehr kennt; seine Kunst wird andere Aufgaben haben als die unsere — aber 
sie wird lebendig seiner Lebensgestaltung verbunden sein. 
R. Hausmann
	        
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