904 Rene SdöicßeCe • Ai'sse
schmächtige Gesicht hin und her und konnte ihre Ungeduld nicht
verbergen.
»Madame, Sie verzeihen, aber Ihre Sitten werden mir wohl immer
ein wenig fremd bleiben. Herr von Ferriol hat mich auf einem
Sklavenmarkt aufgelesen, wo ich, elfjährig, zum Kauf angeboten
wurde, und mich nach Paris in seine Familie und dann ins Kloster
gebracht. Ich habe mir viel Mühe gegeben zu lernen. Trotzdem kann
ich nicht lieben, wie die hohen Damen, die mich mit ihrer Freund*
schalt beehren.«
Die Herzogin von Berry warf den Fächer auseinander und sagte
entschuldigend:
»Sie sind ja auch noch fast unverdorben. . , Herr von Ferriol wird
sich freuen, Sie in solchem Zustand zu bekommen. Wie lange bleibt
er denn noch in Konstantinopel?«
Ai'sse errötete.
»Madame, Sie tun Herrn von Ferriol Unrecht. Herr von Ferriol
ist für mich wie ein Vater.«
»Hören Sie? Hören Sie?« rief die Herzogin und winkte mit dem
Fächer. Der Regent blieb vor ihnen stehen:
»Braune Diana mit den Honigschultern, sollten Sie endlich meiner
Tochter gestanden haben, daß Sie mich nicht mehr verabscheuen?«
Der Graf von Charolais aber, der wieder getrunken hatte, sam*
melte schnell einige Herren und stellte sich mit ihnen in die nahe
Fensternische, von wo sie Ai'sses Mienenspiel beobachten konnten.
»Aufgepaßt,« flüsterte er. »Ich habe zweihundert Dukaten gegen
ihre Unschuld gewettet! Wenn ich euch sage, daß Richelieu Bresche
gelegt hat . . .«
Ai'sse sah, wie alle Gäste des Regenten einen Kreis um sie
schlossen, und sie bemerkte auch den lüsternen Stolz, mit dem Frau
von Ferriol, die sie, mit Spott, ihre Stiefmutter nannten, jetzt durch
die wispernden Gruppen auf sie zuschritt. Das war die ganze Be*
lagerungsarmee, die der Regent geworben hatte und mit Versprechen
von Gold, Regimentern, Pfründen, Titeln und wiederum Geld und
Liebe in Atem hielt. Und dort aus der Tür trat der bild*
schöne Richelieu, lächelnd, wie immer. Sie schlug erschreckt die Augen
nieder.