Franz Bfei • Vom Fag
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lilstermann ohne jeden Sinn für Witz und Spaß einen Witz nur
dann und in Gesellschaft erzählt, wenn er damit jemand aus der
Gesellschaft in Verlegenheit oder sonst in Unbehaglichkeit bringt.
Das klingt nicht so großartig wie »religiöser Antagonismus« und
»wirtschaftlicher Kampf«, aber wir bringen ja auch einen um, nur
weil uns seine Nase nicht gefällt.
4.
DER ITALIENISCHE IMPERIALISMUS
Es gibt bessere Quellen, die Leitmotive des italienischen Im^
perialismus kennen zu lernen, als d'Annunzios wortreichen civischen
Lyrismus oder Marinettis heulende Wut auf das »Museum Italien,
das Lotterbett der reisenden Hochzeitspaare«, — man muß die
Heftigkeit der Dichter aus der Tatsache begreifen, daß die alte Poli^
tik des il piede di casa, wie man die Antiexpansionisten nennt, die
Klein-Italiener, gefühlsmäßig bei allen kleinen Leuten im Lande am
beliebtesten ist/ der Mann, der im Laden seine Salami verkauft, ist
nicht kriegerisch, eher ist es schon der verzweifelte Bauer der Ro*
magna, um dessen Tot sich Pelagra und Hunger streiten, so daß
es ihm wenig ausmacht, wenn sich der Krieg als dritter dazu gesellt.
Aber an der Trägheit des feistwerdenden Mannes im Laden, der
Gewinnsucht des kleinen Landspekulanten, dem öden Geschäftssinn
eines praktischen, mit Stimmenkauf gewählten Giolitinischen Onore^
vole wird der eifernde Zorn der Dichter zum Delirium, so daß die
paar Gedanken im Taumeln dieser Strophen nicht mehr zu erkennen
sind. Italien, sagen die Italiener, ist der Prototyp einer proletarischen
Nation, wie Frankreich der einer plutokratischen ist. Zwischen beiden
ist am Mittelmeer eine Rivalität, vergleichbar dem Klassenkampf in
einem Staate — bei allen gefühlsmäßigen, aber doch mehr literari^
sehen Sympathien für la sorella latina konstatiert man, daß es den
österreichischen Italienern besser geht, als den italienischen, und dar
aus ist die Monarchie der Feind. Im Küstenland, in Dalmatien, in
Istrien sind die Italiener — die Minderzahl der Bevölkerung! —-
die Besitzenden, und die Slaven die Dienenden: dies macht den
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