Full text: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

Franz Bfei • Vom Fag 
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lilstermann ohne jeden Sinn für Witz und Spaß einen Witz nur 
dann und in Gesellschaft erzählt, wenn er damit jemand aus der 
Gesellschaft in Verlegenheit oder sonst in Unbehaglichkeit bringt. 
Das klingt nicht so großartig wie »religiöser Antagonismus« und 
»wirtschaftlicher Kampf«, aber wir bringen ja auch einen um, nur 
weil uns seine Nase nicht gefällt. 
4. 
DER ITALIENISCHE IMPERIALISMUS 
Es gibt bessere Quellen, die Leitmotive des italienischen Im^ 
perialismus kennen zu lernen, als d'Annunzios wortreichen civischen 
Lyrismus oder Marinettis heulende Wut auf das »Museum Italien, 
das Lotterbett der reisenden Hochzeitspaare«, — man muß die 
Heftigkeit der Dichter aus der Tatsache begreifen, daß die alte Poli^ 
tik des il piede di casa, wie man die Antiexpansionisten nennt, die 
Klein-Italiener, gefühlsmäßig bei allen kleinen Leuten im Lande am 
beliebtesten ist/ der Mann, der im Laden seine Salami verkauft, ist 
nicht kriegerisch, eher ist es schon der verzweifelte Bauer der Ro* 
magna, um dessen Tot sich Pelagra und Hunger streiten, so daß 
es ihm wenig ausmacht, wenn sich der Krieg als dritter dazu gesellt. 
Aber an der Trägheit des feistwerdenden Mannes im Laden, der 
Gewinnsucht des kleinen Landspekulanten, dem öden Geschäftssinn 
eines praktischen, mit Stimmenkauf gewählten Giolitinischen Onore^ 
vole wird der eifernde Zorn der Dichter zum Delirium, so daß die 
paar Gedanken im Taumeln dieser Strophen nicht mehr zu erkennen 
sind. Italien, sagen die Italiener, ist der Prototyp einer proletarischen 
Nation, wie Frankreich der einer plutokratischen ist. Zwischen beiden 
ist am Mittelmeer eine Rivalität, vergleichbar dem Klassenkampf in 
einem Staate — bei allen gefühlsmäßigen, aber doch mehr literari^ 
sehen Sympathien für la sorella latina konstatiert man, daß es den 
österreichischen Italienern besser geht, als den italienischen, und dar 
aus ist die Monarchie der Feind. Im Küstenland, in Dalmatien, in 
Istrien sind die Italiener — die Minderzahl der Bevölkerung! —- 
die Besitzenden, und die Slaven die Dienenden: dies macht den 
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