Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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Carf Stern fieim • Napofeon 
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Für welche Tat aber sei der Leib neben ihm derart aufgemästet, zu 
welchen Fortschritten brauche er seine täglichen mächtigen Rationen? 
Mit was für Gesindel habe er, Napoleon, sich eigentlich bis über 
sein dreißigstes Jahr hin abgegeben, und welch steilen Weg müsse 
er bis zu lohnendem Ziel noch ersteigen! Er fühlte, keine Minute 
sei zu verlieren, und alles Heil ruhe im Anschluß an die verehrte 
Gastin. So widmete er ihr vom zweiten Erscheinen an sein Trachten 
und Vermögen. Dachte die Stunden bis zu ihrem Kommen nichts, 
als was er ihr vorsetzen, wie er ihre Erwartungen übertreffen müsse. 
Lief morgens vom Markt in Hallen und Kramereien,- suchte, tüftelte 
das Frischeste, Zarteste und Rarste heraus. Zur Vorstellung ihres 
winzigen Kerns in einer Hülle von Tüll und Tand dichtete er aus 
Schaum, Krusten, Farce und Saucen das assoziierende Speisenge* 
bild,- schabte, preßte in Tücher, seihte und überquirlte wohl ein 
Dutzendmal, bis das Gekochte schwebend gleich einer Wolke zum 
Teller niedersank. Dann sah er es entzückt zwischen zwei leuchtenden 
Zahnreihen auf einer schmalen Zunge zergehen. 
Einst gönnte sie ihm ein Wort der Anerkennung. Ihm schient 
ein Rauschen und hallte ihm lange im Ohr. Zum Schluß riet sie, 
das Stadtviertel des soliden Bürgers eiligst zu verlassen und jenseits 
des Flusses, mitten im Herzen des vornehmen Paris, ein Restaurant 
zu schaffen, das trotzdem bis heute jeder entbehrte, der höchste 
Anforderungen an Küche und Keller zu stellen gewillt sei. Sie würde 
mit Freunden kommen,- wolle seiner außerordentlichen Kunst Ver 
künderin sein. 
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So geschaht. Nachdem er in einer Seitenstraße bei der Oper das 
passende Lokal gefunden, verkaufte er mit Nutzen die alte Wirt* 
schaft, ließ die Wände der gemieteten Räume mit weiß silbernen 
Malereien zieren, die zu dem reichen Silber, der Wäsche der Tisch* 
reihen stimmten. Ein roter Teppich deckte den Boden. Kraft eines 
Schlagwortes, das irgendwo auf und über die Boulevards flog, wußte 
Paris plötzlich von der Existenz des Chapon fin, und daß der Kenner 
eines gewählten Bissens dort auf seine Rechnung käme. Vier Wochen 
nach Eröffnung ging die beste Welt regelmäßig bei Napoleon ein
	        
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