Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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Carf Stern Beim ■ Napofeon 
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kommen und hatte die kluge, ihn immer anfeuernde Frau an der 
Seite, zu der die Beziehungen nicht legitimiert waren, die er aber 
leidenschaftlich und zärtlich liebte. 
Da man vierzehn Tage vor seinem Fest vom Krieg mit Preußen 
zu sprechen begann, und die Gäste stürmischer seine Meinung 
wollten, blieb er lächelnd ruhig und verneinte fede Möglichkeit eines 
Ausbruchs von Feindseligkeiten. Er wußte aus besten Quellen, kein 
ernsthafter Politiker glaube wirklich an den Krieg,- er war gewiß, 
es handle sich wieder einmal um die Prestigefrage, das sattsam be^ 
kannte Händeknacken und schmollende Gockeltum. Aber auch als 
die Regierung unter einem frivolen Vorwand die Schiffe hinter sich 
verbrannt hatte, blieb Napoleon in tiefster Seele ruhig. Er, der 
wußte, hohe Politik wird gemacht, um ein paar Dutzend Ehrgeizigen 
in jedem Land Vorwand für eine Karriere zu geben und ihren Heiß 
hunger nach öffentlichem Bekanntsein und Sensationen, mit denen 
ihr Name verknüpft ist, zu befriedigen, war überzeugt, man werde 
unverzüglich diesen Wichtigtuern Genugtuung geben, indem man sie 
mit Titeln, Orden und sonstigen Auszeichnungen von überallher so 
reichlich fütterte, daß sie satt werden mußten. Was den Frieden 
bedeutete. Einen Willen der Völker stellte er nicht in Rechnung. 
Er hatte gelernt, es wird mit ihnen kurzerhand nach Gutdünken 
der Regierung verfahren. Sie sind es seit ewig gewohnt, wissen und 
wollen nichts anders. Sagen heute zu schwarz schwarz und morgen 
zu schwarz weiß. Es genügt, ihnen zuzurufen: Das Vaterland ist 
in Gefahr! Sie fragen niemals: Durch wen im letzten Grund? Lassen 
sich bewaffnen, morden jeden beliebigen als Erbfeind, erst zögernd, 
dann, aus Gewohnheit, mit Überzeugung und Hochrufen. Valentine 
gab ihm recht. Sie verspottete alles, Regierende und Regierte. Ver^ 
breitete Erzählungen, die die Albernheit der Diplomaten in ein fabel 
haftes Licht setzten, militärische Maßnahmen des Generalstabs dem 
Gelächter preisgaben. Beide griffen mit Wollust nach jedem Gerücht, 
in dem sich irgendeine großartige Dummheit manifestierte, fütterten, 
hätschelten es und waren vor Freude außer sich, akzeptierten es 
selbst diejenigen mit feierlichem Ernst, die aus ihrer übergeordneten 
Stellung heraus seine Sinnlosigkeit sofort hätten einsehen müssen. 
Mehr als der Friede gab der Krieg ihnen unablässig Gelegenheit,
	        
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