Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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Carf Stern Geirrt • Napofeon 
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ersetzen konnte,* aus der man mittels zweier Speisen einen ausreichen* 
den Nenner sämtlicher für die Ernährung wichtigen Stoffe erzielen 
konnte. Hatte aber anfangs Notwendigkeit, die gewollten Einheiten 
in ein Gericht unterzubringen, vielleicht auf dessen gastronomische 
Vollkommenheit gedrückt, ging jetzt auf Spaziergängen Napoleons 
Phantasie der erklügelten Platte von allen Seiten zu Leibe, wie ihre 
Schmackhaftigkeit und Anrichtung auf die höchste Höhe zu bringen sei. 
Und da ihm ein über das andere Mal die Hitze des Entdeckerglücks 
ins Gesicht stieg, fixierte er endgültig die Gerichte, mit denen er 
künftige Menschen aus der Schwächung durch den Krieg zu frischem 
Leben führen wollte. 
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Der Erfolg an der wiedereröffneten Stelle war nicht so über* 
raschend und bedeutend wie das erstemal. Schon nach wenigen 
Tagen stellte der Wirt fest, er hatte es mit lauter Unbekannten zu 
tun, die nicht Empfehlung, sondern Zufall und Laune zu ihm ge 
führt. Der riesige Kreis seiner alten Gäste war vom Erdboden 
verschwunden. Doch stählte diese Erkenntnis seine Kräfte, da ihm 
einleuchtete, es brachten die Neulinge auf Grund liebgewordener 
Gewohnheiten keine Voreingenommenheit mit. So verließ er Mo* 
nate die Küche nicht, wo er mit Anspannung aller Kräfte die ge* 
wonnenen Grundsätze in die Tat umsetzte. Vor allem mußte er 
die Köche von der Richtigkeit seiner Ansichten überzeugen, daß die 
nötige Herzenslust zur Arbeit ihnen nicht fehlte. Erst als unten die 
Wirtschaft geregelten Gang ging, betrat er die Räume des Restau* 
rants wieder und suchte Fühlung mit den Gästen. 
Vom Ton zwischen ihnen und den Kellnern ward er zuerst be 
troffen. Es gab keine Unterhaltung über die zu wählenden Speisen, 
nicht einen Scherz, kein interessiertes Hin und Wider. Kurze Kom* 
mandos flogen. Der Bedienende, geneigten Hauptes stumm, machte 
Kehrt. Man aß schnell, ließ sich nicht mit Behaglichkeit nieder. Kaum, 
daß man die Kissen drückte. Zur Verdauung gab sich niemand Zeit. 
War der letzte Bissen genossen, fuhr der Gast in die Höhe und ver* 
schwand. Rote Köpfe, fettgeränderte Lippen, müde Scheitel, die sich 
in die Sofarücken lehnten, Hände mit geschwollenen Adern aufs 
Gedeck gebreitet, sah Napoleon nicht mehr. Es wehte nicht der
	        
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