Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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S. Triedfaender ■ Der Wagßafter der Weft 
persönlichen Fixsterns, ist nicht das andere Extrem zur Bewegung 
der Perspektive, sondern deren Zentrum, das bei so gewaltig daran 
reißenden Extremen gar nicht anders fixiert werden kann als durch 
spontanes Äquilibrium. Wie könnte Indifferenz, so enormen Extremen 
ihrer selbst ausgesetzt, an Ruhe, an Fixiertheit auf tote träge Art 
denken? Das kann sie nur, wenn sie selbst ins Extrem auszu 
schweifen den Wahnsinn hat,- wenn sie z. B. ihre Negative mit ihrer 
Neutralität verwechselt. Selbstverwechslungen, Verirrungen einer so 
labyrinthischen, proteischen Identität sind die Regel, sind ordinär,- 
dagegen wird das Treffen ihrer pünktlichen Zentralität immer ex* 
zeptionell sein, und diese Ausnahme doch das Herz der Regel. Man 
hüte sich mit aller Kraft vor der positiven oder negativen Auffassung 
und Praktizierung dieses schöpferischen Nifiif personafe des polaren 
Weitunterschiedes/ es ist die Welt selbst ununterschiedlich, das allen 
Unterschied Entfachende, und es verlangt die mediale Auffassung. 
Ihm ist der Unterschied fremd, es ist das Vertrauteste von allem. 
Indifferenz erst kennt, wenn sie sich erkannt, ergründet hat, jedes 
Extrem, sie gibt jedem das Cachet, das granum safis, das kosmische 
Aroma ihres universalen Duftes, sie ist die Würze der Welt. 
Von dieser polar schöpferischen Mitte aus werden Extreme erst 
ansetzbar. Ohne das Bestehen z. B. eines unanzweifelbaren, absolut 
all* und unqualifizierbaren Wertes begreift man gar keine spezielle 
Wertqualifikation. Ohne dieses Neutralisierteste, Durchgemischteste, 
diese chemische Reinigung aller Werte und Wesen von ihrem Unter* 
schied, ihrem Gegensatz, ihrer Relativität versteht und wertet man 
keinen Unterschied. Ohne diese unaussprechliche Weltliebe, die keine 
pantheistisch überschwängliche Gefühlstrunkenheit, sondern Disziplin 
der quasi mathematischen Präzisierung des persönlichen Zentralpunktes 
einer wahren Windrose von Weltunterschieden ist, spricht man keinen 
Unterschied der Liebe, den nur jener Gefühlsrausch verschwimmen 
läßt, jemals lebendig entschieden aus. Bedenkt man nun, wie un* 
geheuer drastisch sich die Unterschiede dem sie Erlebenden emp* 
findlich machen, so wird man begreifen, wie unsäglich er sich mit 
dieser Drastik verwickeln, verwechseln, ja identifizieren, bis zur 
Selbstvergessenheit darin aufgehen, seine eigene exempte Neutralität 
wie den »Tod« vergessen könne, bis eben der Tod ihn erfrischend
	        
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