Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

S. Triedfaender * Der Wagftafter der Weft 869 
indifferent: aber der schöpferisch Indifferente ist nicht mit seiner matten 
Karikatur zu verwechseln, dem blinden Schwächling, der die Extreme 
feig in sich vermeidet, statt ihre vernichtend-schöpferische Berührung 
in sich zu empfinden,- mit dem faul und trag »Indifferenten«, der 
kein Ja, kein Nein, geschweige <wie der lebensecht Indifferente) 
Beides polar entschieden herausbringt. Man muß göttliche Augen 
dafür öffnen, daß diese sogenannte »Indifferenz« ein Wesen ist, das 
gerade die echte Mitte, also die echten Extreme wie Feuer scheut 
und sich gerade vornehmlich mit den mattesten, grauesten Ver* 
tuschungen behilft. Es scheut Äquator, Pole und Zentrum und sucht 
die gemäßigten Zonen. Es scheut Tag und Nacht, das persönliche 
Wunder ihrer Gleiche und sucht die Dämmerungen. Es ist ein 
Wesen, dem man erst vielen Mut zu sich selber machen müßte, um 
sein fades ä peu pres zur Präzision zu bringen. Soviel steht fest: 
der Ring des Gewissens, den wir durchlaufen haben, hat zwar überall 
seine Mitte, aber par excellence doch nicht auf seiner Peripherie, 
sondern im Zentrum ihres Kreises,- die Punkte der Peripherie sind 
sehr verschieden betont und gerichtet. Es wäre vergebens, diesem 
Kreis entrinnen zu wollen,- oder sich gegen die Einsicht zu sperren, 
daß man, ohne das Zentrum inne zu haben, sich an irgendwelchem 
seiner peripherischen Punkte aufhalten könne, deren jedes das Zentrum 
radial mächtig ist. Man kann das Gewissen majorisieren, minorisieren, 
vertuschen, indifferenzieren — aber nicht loswerden,- so steht es mit 
Allem, mit dem Ganzen. Gerade im »Nichts«, zu dem man etwa 
fliehen wollte, findet man das All, wenn man nicht blind gegen das 
eine polare Weltdifferenz indifferenzierende Wunder dieses Nichts ist, 
dieses an sich ineffablen Individuums allegorisch polarer Individualität. 
Wie tief geht die Möglichkeit des Selbstvergessens wenn es nötig 
ist, eine ganze Philosophie an Stelle dieses Todes zu setzen! Zwar, 
Wissen ist nicht Macht, aber Wissen um Indifferenz ist Wissen um 
Allmacht,- und der indifferente Gedanke der Allmacht kann wissend 
und wollend polar differenziert werden, wenn er erst einmal ge^ 
faßt wird. 
Im Menschen fehlt das allgemeine, das Universalgefühl nicht, aber 
es ist von den Schlingpflanzen der besonderen und gemischten so 
überwuchert, daß er's gar nicht mehr echt in sich wahrzunehmen
	        
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