Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

870 S. Triedfaender ■ Der Wag Hafter der Weft 
scheint und präsent hält. Er hat das Weltgewissen inne, ohne es 
zu merken. Wäre die Seele nicht welthaft, so könnte sie keine Welt 
erleben. Es ist ein verkehrter Ausdruck, das eigene Selbst »er^ 
weitern« wollen, damit es das Allgemeine fassen könne. Dazu ge^ 
hört keine Erweiterung, sondern Zentrierung bis zur Punktualität,- 
nur der ungeteilte Punkt schließt den ganzen Raum auf einmal ein. 
Weh>Sympathie tritt ein, sowie man sich von der Geteiltheit im 
Innersten befreit, sowie man sein Innerstes lebendigst stringiert. Die 
Weh>Seele unterscheidet sich von der menschlichen nur durch die 
präsenteste Präzision dieser Indifferenz, durch die letzte Strenge der 
Konzentration,- die Weltseele ist der Nullpunkt der Welt,- ihm nur 
gelingt eine ganz und gar nicht mehr schlotternde Welt. 
Menschen sind abergläubisch genug, zu wähnen, ihnen sei innerlich 
mehr eingeräumt als der Punkt, aber dadurch erhalten sie äußerlich 
weniger. Die Zeit z. B. kann nur von der Geistesgegenwart aus 
beherrscht, ja verewigt werden,- und der gegenwärtige Moment ist 
ein Punkt, den nur diejenige Seele erlebt, die sich nicht teilt. Nun 
aber schwankt, wankt und zittert der Mensch genau in diesem Punkte,- 
und die wenigen, die ihn fassen, vergessen, diese icfee fixe lebendig 
anzuwenden, verlieren die Schöpfung der Welt darüber aus den 
Augen, bis sie sich ihnen tötlich in Erinnerung bringt. Es ist tragU 
komisch, den Unbeholfenheiten des Menschen im Umgänge mit seiner 
eigenen Göttlichkeit zuzusehen. Nemo contra Deum nisi Deus ipse. 
Gott zu sein, genügt nicht, man soll es auch werden, weil man 
es ist: hier liegen die Fußangeln und Fallstricke der eigenen Magie. 
Man besitzt Vollkommenheit nur, um sie zu erwerben, um schöpfe 
risch durch sie zu sein. Es genügt auch nicht, zu erwerben, wenn 
man sich nicht bewußt bleibt, daß man indifferenziert bereits per^ 
sönlich besitzt, was man durch schöpferischen Erwerb nur noch diffe 
renziert polarisieren kann und soll. Der Mensch hat sich in allen 
Erwerb so gedankenlos versenkt, daß er darüber geradezu vergessen 
hat, was er erwerben soll, und mit seinem Erwerben grund- und 
zwecklos in der Luft schwebt, ohne sogar die Lust dieses Schwebens 
auskosten zu können, so daß man ihm zurufen muß: besitze erst 
wieder was du erwirbst, um es wirklich zu erlangen und besser zu 
sein! Sei erst wieder »magisch«, allmächtig, ungeteilt, weltvoll, alL
	        
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