Volltext: Die weissen Blätter : eine Monatsschrift (2(1915),7)

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S. Triedfaetiefer • Der Wagßafter der Weft 
andere Extrem zum zunehmenden Zwang das umgekehrt zunehmende. 
Extreme Freiheit ist nur umgedrehter Zwang,- ohne diese Gegen^ 
seitigkeit verliert jeder Pol für sich seine Bedeutung. Man versichert 
sich der wahren Herrschaft durch das Einnehmen des intimen Gleich^ 
gewichtspunktes. So hat Willkür ihre Extreme, an deren einem sie 
immer mehr und mehr ab-, am anderen immer mehr zunimmt,- da^ 
durch, daß sie dem einen nachstrebt, kommt sie vom anderen nicht 
los, es folgt ihr, es hindert, es bremst sie. Wenn sie ihren echten 
Vorteil versteht, erwählt sie sich die lebendig^präzise Beherrschung 
beider durch das schöpferische Innehaben des polarisierenden Mittel^ 
punktes. Derart befreit man sich selbst von aller falschen Tendenz 
nach illusorischer Beliebigkeit. Die einzige Freiheit, die es gibt, ist 
diese Freiheit, polarisierende Indifferenz aller Differenz zu sein. Wer 
sie mißbraucht, gerät in die Räder seiner eigenen Maschinerie. Man 
soll innewerden, daß man die lebendige Drehangel aller Alternativen 
ist, und sich nicht einbilden, vor die Wahl des einen oder des an 
deren Extrems gestellt zu sein. Das persönliche Nichts der Welt ist 
nur das Nichts ihres polaren Unterschiedes — ein Satz, der zur 
Welt dermaßen zwingt, daß gerade der Allerfreieste das Schicksal 
selber sein muß, schöpferische Welt-Angel. Sich mit der Freiheit um 
die Notwendigkeit herumdrücken zu können, ist der gemeinste Wahn 
des Menschen,- Freiheit ist aber das Fatalste von Allem, intime 
Mitte des Fatums. Man hat nur die Wahl, diese Mitte schöpferisch 
rein oder leblos unrein zu praktizieren: rein vom Unterschiede ihrer 
eigenen an ihr rüttelnden Extreme,- oder zitternd, schwankend, be 
fleckt von ihrer eigenen Gegenseitigkeit. Diese Wahlfreiheit hat man 
in der Tat. Man kann diesen seelischen Punkt, zu dem man ge^ 
zwungen ist, strikt präzisieren oder schlottern lassen,- die Meisten 
glauben desto freier zu sein, je mehr sie schlottern. Wem es evident 
geworden ist, daß Freiheit nichts ist als die polar schöpferisch lebendige 
reine Grenze des Verkehrs zwischen minus und plus ihrer selbst, an 
sich selber hohle Kommunikation, der wird es von dem an für absurd 
halten, diese unausgedehnte Grenze auch nur im Geringsten ver* 
breitem zu wollen: Freiheit ist nur absolut, wenn sie persönlich 
rein ist von ihrem polaren Selbstunterschied, Selbst -Widerstreit. 
Es ist nicht möglich, das unaussprechlich Überschwängliche, Ab^
	        
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