888 S. Triedfaender • Der Wagfjafter der Weft
keinerlei Lahmheit, die nicht Flügel verriete, keinen toten Punkt, der
nicht Leben enthielte. Man verhüte im »Innern« den Mangel an
Gleichgewicht, Indifferenz, Neutralität, Zentralität, Kern, Herz, °o:
und das ganze böse Wesen beginnt harmonisch um den lebendig
gewordenen toten Punkt zu rotieren. Das Nichts ist die Äquivoke
aller Äquivoken. Die Menschen kennen es erst halb und halb,- sie
kennen die Hemisphären des Lebens, ohne sonderbarerweise dessen
Rundung herauszubringen. Es gibt noch keinen ungeteilt ganzen
Menschen, er wäre kein »Mensch« mehr. Der Mensch verkennt den
echten Mittelstand der Natur, welcher sein eigener ist, und damit
seinen echten Kraftquell, weil er die polare Observanz des indiffe
renten oc verkennt. Wenn das indifferent eigene Subjekt natura
naturans ist, so ist die gesamte naturata nur seine Polarisation,
die Form seiner aus Überschwang herrührenden Selbstentzweiung.
Diese Polarität gehört und gehorcht aber doch eigentlich nur ihrer
eigenen Indifferenz. Was fruchtet Empirie ohne diese Selbstbesinnung
auf die wesentliche Polarität ihrer'Differenz und ohne das absolute
Erlebnis der eigenen Exemtion? Sie bleibt allem Aufwande zum
Trotz ein wüster Garten. Wie anders eröffnet sich die polare Welt
dem konzentrierten Urheber ihrer Differenz! Der intimste Verkehr
wird möglich und wirklich. Man sehe z. B. Goethes Verkehr mit
Farben, Tönen, mit allen Manifestationen der Sinne. Zweifellos sind
die Urphänomene sämtlicher Sinne, aller Unterschiedenheit polar
gegenseitig angelegt, und ohne dieses heuristische Prinzip der Po^
larität entbehrt alle Empirie die ihr wesentliche Möglichkeit abge
rundeter Totalität und Harmonie.
Es ist keine Welt, in der deren persönliche Indifferenz lebt, son=-
dern ein Welt=Untersdhied, ein Weltgegensatz, der dieser Weltperson
wegen entbrennt,- eine »Geheimnisweit doppelter Wollüste«. Welt
ist das Auseinander des Selben, das innen ohne allen Unterschied
zusammen ich selber bin. Meine eigene Indifferenz ist die vergleich^
gültigende Lebensgerechtigkeit für allen Unterschied der Geltungen,
der Äquator, Egalisator, der absolute Spiel- und Schwebepunkt aller
Weltgegengewichte. Gewiß ist es mensdilich bequemer, die gesamten
Differenzen ä peu pres gewähren zu lassen und gegenseitig in eine
mittelmäßige Harmonie zu bringen, als diese Harmonisierung tragisch