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Scftaff und TZaucft
Von Friedrich Hollaender
„Das neue Chanson“
Ein Feriensommer ist vorüber.
Ferien - - — - , das sind im Leben eines i ^
Perioden, die dazu benutzt werden, den Staub des vergangenen
Menschen
Wi
und Inventur zu machen.
Ergebnis:
D as Chanson drohte, in einer Form zu versteinen und zu ver
krusten, die der Begriff ,,Kunst“ nicht mehr decken wollte. — Gab
e Menschen mehr, denen es nunmehr ein Bedürfnis
nicht
wurde, ein Experiment zu wagen, so stand die Verödung des
Cabarets vor der Tür.
Es galt, die Form zu sprengen!
Nicht, daß Gewalt und Sucht nach Neuem der bedrängten
(Das war garnicht
Muse
nötig und wäre auch nicht fruchtbar gewesen.)
Nein: die Explosion war da!
Halt!
SMUS
Das Publikum soll nicht länger nur
amüsiert werden. Es soll denken und, wenn es das nicht will, soll
es vom Rhythmus umgerissen werden!
Das neue Chanson ist eine Sache der Suggestion, ist die Be
zwingung der Masse. Es gibt nur einen Namen dafür, einen leben
spendenden Begriff: „Berliner Tempo“ (wobei wir uns klar
sind, daß das Berliner Tempo hier in einer übersteigerten, idea
listischen, gleichsam durch die zweite Instanz des aufnahmewilligen
Gehirns gegangenen Form zum Ausdruck gebracht wird. Rhythmus
Wortkraft
Potenz wirksam!)
O, es wird schwer sein, dieses rapidissimo zu verwirklichen, so
zart Gedachtes, mildhämmernd Gehörtes in tonhafte Körperlichkeit
umzusetzen. Aber wenn es gelingt ..... dann marschieren die
Kolonnen, dann
brüllen die unter
irdischen Geräu
sche der Welt
stadt. knattern die
in
Automobile,
einem Strudel im
Bogenlicht
und
Wolkenkratz
schatten. Dann ist
das neue Chan
son da.
Wer
Ohren
hat, zu hören
soll
erschossen
werden.