Volltext: Der Ararat : Glossen, Skizzen und Notizen zur Neuen Kunst (1(1920),11/12)

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es ausgerechnet, mein Mann und ich, daß mit den 
illustrierten Ausgaben und der kleinen Bibliothek zu 
sammen der letzte Roman in der Höhe von fünfund* 
dreißigtausend Exemplaren gedruckt worden ist.« 
»Und wir,« hob Madame Z. den Handschuh auf, 
»wir haben für unser nächstes Buch eine Auflage von 
fünfzigtausend vertragsmäßig zugesichert, die Luxus* 
ausgaben nicht mit eingerechnet.« 
V.: Aber es waren doch wohl nicht nur solche Leute 
mit Riesenauflagen und großtuenden Fragen dort. 
Edmond de Goncourt z. B 
C.: Der hatte nichts Bourgeoishaftes, das ist wahr, 
aber der schnitt ein andächtig staunendes Gesicht, wenn 
er diese Ziffern hörte. 
V.: Lieben Sie die Goncoouts? 
C.: Die »Manette Salomon« habe ich sehr gern 
gehabt, aber ich habe nichts Derartiges mehr gelesen, 
seitdem die Witwe, wie der andere <d. i. Barbey 
d'Aureville, Anm. Vollards) sagt, sich allein ans 
Schreiben gemacht hat. — 
So ging ich denn von selten zu Zola, denn es tat 
mir weh, zu sehen, daß er so einer geworden ist,- da 
sagte mir eines Tages der Diener, daß sein Herr für 
niemanden zu sprechen wäre. Ich glaube nicht, daß 
die Weisung gerade gegen mich gerichtet war, aber 
ich schob meine Besuche noch mehr hinaus. Und dann 
ließ Zola sein »L'oeuvre« erscheinen 
Cezanne hielt einen Augenblick inne, überwältigt 
von der Vergangenheit. Dann sprach er weiter. 
»Man kann ja nicht fordern, daß ein Mensch, der es 
nicht versteht, Vernünftiges von der Malerei spreche,- 
aber in aller Herrgotts Namen« — und Cezanne 
hämmerte wie besessen auf den Tisch — »wie traut 
er sich zu sagen, daß ein Maler sich töte, weil er ein 
schlechtes Bild gemalt hat. Wenn ein Bild nicht gek 
lungen ist, dann schmeißt man's ins Feuer und fängt 
ein anderes an!« 
Während er sprach, ging Cezanne im Atelier wie 
ein Tier im Käfig auf und ab. Plötzlich blieb er stehen, 
ergriff ein Selbstbildnis, das er vom Rahmen genommen 
hatte, um die Leinwand zu vergrößern, und wollte es 
zerreißen,- doch da seine Finger zitterten und er sein 
Palettenmesser nicht bei der Hand hatte, rollte er die 
Leinwand zusammen und zerbrach sie auf dem Knie 
und warf sie in den Ofen. 
V.: Aber wie das, Zola sprach vor mir ja so lang, 
so begeistert, so bewundernd von Ihnen. 
Die Vernichtung des Gemäldes hatte Cezanne be 
ruhigt. In den Augen, die mich anblickten, war kein 
Zorn mehr, nur eine tiefe Trauer. 
Hören Sie mal, Herr Vollard, ich muß Ihnen was 
sagen. Ich hatte aufgehört mit Zola zu verkehren, 
aber ich konnte den Gedanken nicht fassen, daß er 
gar keine Freundschaft mehr für mich übrig hätte. 
Als ich nach der Bailustrade verzog, neben Zola's 
Haus, hatten wir uns schon lange nicht gesehen, aber 
da ich so nahe wohnte, hoffte ich, daß der Zufall uns 
zusammenführen und er zu mir kommen würde .... 
Später, als ich mich in Aix aufhielt, erfuhr ich ein* 
mal, daß Zola eben dort eingetroffen war. Ich konnte 
mir denken, daß er sich nicht trauen würde, mich zu 
besuchen, dies war ja selbstverständlich: aber wozu 
noch an Vergangenes denken? Begreifen Sie das, 
Herr Vollard? Mein lieber Zola war in Aix. Ich 
hatte alles vergessen, L'oeuvre und manches andere 
wie auch das verdammte Dienstmädchen, das mich 
schief anblickte, während ich meine Stiefel an der 
Strohmatte abwischte, bevor ich Zolas Salon betrat. 
Ich war eben draußen in der Landschaft, ich hatte 
eine Skizze, die sich nicht übel machte, aber ich pfiff 
auf meine Skizze: Zola war in Aix! Ohne mir Zeit 
zu nehmen, wenigstens meine Sachen zusammenzutun' 
renne ich ins Hotel, wo Zola abgestiegen war. Aber 
ein Kamerad, den ich unterwegs zufällig treffe, be* 
richtet mir, daß jemand den Abend zuvor in seiner 
Anwesenheit zu Zola sagte: »Sie gehen wohl auf 
einen Löffel Suppe zu Cezanne?« und Zola darauf 
antwortete: »Wozu noch diesen Verkrachten wieder* 
sehen?« Da kehrte ich zu meiner Landschaft 
zurück. 
Cezannes Augen waren voll von Tränen. Er 
schneuzte sich stürmisch, um seine Rührung zu ver* 
bergen und sagte: 
»Sehen Sie, Herr Vollard, Zola war kein schlechter 
Mensch, er lebte nur unter dem Einfluß der Ereig* 
nisse.« 
Goldene Worte: Henny Porten über die 
Neue Kunst. 
»Die Malerei von heute, die moderne, liebt krasse 
Farben und verzerrt das Schöne ins Groteske. Im 
Film ist das nicht zu gebrauchen. Entweder man 
vertritt hier das Schöne, Edle oder aber man vertritt 
das Häßliche. Aber gegen das Häßliche sträubt sich 
das Auge des Publikums, sträubt sich das Auge dessen, 
der das Schöne, der die Kunst liebt. 
Ein Maler sagte mir einmal, daß das Häßliche schön 
sein könnte. Das ist paradox ausgedrückt. Gewiß 
kann das Häßliche künstlerische Reize haben, aber 
diese Reize hat es nur für einen Menschen, dessen
	        
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