Volltext: Der Ararat : Glossen, Skizzen und Notizen zur Neuen Kunst (1(1920),11/12)

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das Abstreichen der Pinsel, um überflüssig gewordene 
Farben aus ihnen loszuwerden. Und so etwas wird als 
ein Teil vom Lebenswerke eines Künstlers ausgestellt? 
Dann kommen andere Sachen, bei denen nur mit An» 
strengung zu erkennen ist, was sie bedeuten sollen. Als 
»Stilleben« sind einige bezeichnet, so das »mit schwarzem 
Tuch« und das »mit Italiener«, andere als »Landschaften«, 
so »An der Ostsee«. Sie sind unglaublich. Erkennbar sind 
u. a. die Landschaften »Abend«, »Sommertag«, »Harmonie 
in Grün aus Prerow«, aber so kindlich naiv, daß gewiß 
außer mir noch viele andere darin »Kunst« schwerlich be» 
merken werden. So geht es auch mit den erkennbaren 
Stilleben. Und nun die Figuren und Köpfe. Es wird viel 
darüber geredet, daß jeder Künstler seine eigene Auf» 
fassung haben und zum Ausdruck bringen dürfe, daß er 
seine Bilder aus »innerem Erlebnis« zu gestalten habe. 
Schön und gut. Aber beim Betrachten dieser Galerie von 
— Seltsamkeiten, dieser grünen, blauen, gelben Gesichter 
mit schwarzen Lippen, mit tiefweinroten Farbenklecksen 
auf den Backen, mit dunkeln Löchern als Umrahmung der 
Augen, deren schwarze Iris ganz merkwürdig oben und 
unten über die Augenlider hinausragt, dieser grünen Akte 
und Halbakte drängt sich doch die Frage auf, ob solche 
Darstellungen der »inneren Anschauung« irgendeines 
Menschen entsprechen können. Nur einige wenige Porträt» 
Studien haben Menschenähnlichkeit aufzuweisen. — Goethe, 
der doch wohl etwas von der Malerei verstanden hat, äußerte 
sich einmal so: »Es geht durch die ganze Kunst eine Filiation. 
Sieht man einen großen Meister, so findet man immer, daß 
er das Gute seiner Vorgänger benutzte, und daß eben dieses 
ihn groß machte, Männer wie Raphael wachsen nicht aus 
dem Boden. Sie fußten auf der Antiken und dem Besten, 
was vor ihnen gemacht worden. Hätten sie die Avantagen 
ihrer Zeit nicht benutzt, so würde wenig von ihnen zu 
sagen sein.« — Es war eine Wohltat nach der pflicht» 
gemäßen Musterung dieser Entsetzlichkeiten bei der kleinen 
Zusammenstellung von Bildern aus dem Besitze des Herrn 
Dr. Catzenstein im unteren Stocke wieder zu Atem zu 
kommen. 
Die »München»Augsburger Abendzeitung« über 
Kandinsky ,., 
K a n d i n s k y, der »B1 a u e R e i t e r«, der früher in 
München gewesene russische Maler, der die frechen Ver» 
rücktheiten der modernen »Malerei« in dem allzeit für Der» 
artiges eingenommenen Isar»Athen einführen half, ist jetzt 
Vorsteher einer Sektion im Sowjetkommissariat für Volks» 
bildung der Museumsleitung in Moskau. Da hat ihn Wil» 
heim Herzog, wie er in seinem russischen Tagebuch im 
»Forum« erzählt, besucht. Er klagte sehr über die Not 
des Lebens. 
Ein Begeisterter schreibt im »Buchhändler Börsen» 
blatt« ... 
Die Münchener Kunstausstellung 1920 im Glaspalast 
wird bald ihre Tore schließen. Kann die Frequenz eine 
mäßige genannt werden, die Darbietung war reich und 
beglüdcend. Es hat ja doch wohl noch gute Wege mit dem 
Verlöschen Münchens am Sternenhimmel der Kunst! Heil 
dir, du Stadt der Musen, und Heil euch, ihren Jüngern! 
Seid gegrüßt ob eurer Kraft,- sie ist uns Beispiel, und solches 
vermag viel, oft alles. 
Fritz vonOstiniin den »Münchner Neuesten Nach» 
richten« vom 5. Oktober 1920 über George Grosz ge» 
legentlich der Herbst»Ausstellung der Galerie Goltz: 
ein anderer schreibt schön kalligraphische große 
Ziffern in seine Zeichnungen und bringt es nebenbei fertig, 
die Kriegskrüppel zu verhöhnen, die dumm genug waren, 
ihre geraden Glieder freudig zu opfern, um das Vaterland 
vor dem tiefsten Elend zu retten. Jede Manier wird nach» 
geahmt, die die Natur vergewaltigt ... <s. Abb. S. 171). 
Bücher/ Kataloge. 
Hugo Kehrer: Die Kunst des Greco. Mit 
71 Tafeln. Dritte vermehrte Auflage, Hugo 
Schmidt, München 1920. 
Als Meier Graefe 1908 seine Reise durch Spanien 
machte, genoß er das Glück, als erster Deutscher Greco 
ästhetisch zu entdecken. Zwar hatte Karl Justi schon einige 
Jahre früher — in seinem »Velasquez« und dann in einer 
Aufsatzserie der »Bildenden Künste« über Greco ge» 
schrieben — aber als einer, den Greco nur als der größte 
Sonderling in den Annalen der neueren Malerei inter» 
essierte. Für Bode war dieser »Manierist« vollends ein 
Museumsschreck. Schützend stand der Gewaltige vor 
seinen Sammlungen, um jeden »Greco« von der Schwelle 
zu weisen, und sein Machtwort bewirkte, daß Amerika 
seinerzeit davon abließ, zwei herrliche Werke des Tole» 
daners von Goupil in Paris zu erwerben. 
Im 19. Jahrhundert war Greco in Vergessenheit ge» 
raten. Cezanne freilich hat ihn bewundert und in seine 
Sprache übertragen. Aber der erste offizielle Schritt zur 
Ehrenrettung geschah erst 1902 durch die Madrider Aus» 
Stellung. Auf den spanischen Kunstgelehrten Cossio 
gehen die Pionierarbeiten der Grecoforschung zurück. 
Eine feine Witterung führte Pariser Künstler und Kunst» 
händler dem Meister zu. 1908 wurde ein Saal des 
Herbstsalons mit Werken Grecos gefüllt, allerdings mit 
schlecht gewählten. Das Verdienst, die öffentliche Meinung 
Deutschlands zu Greco bekehrt zu haben, gebührt Meier 
Graefe. 1912 erschien dann das faszinierende Buch Barres. 
Aber die kunstwissenschaftliche Aufhellung des Problems 
»Greco« haben zwei Münchener Kunstforscher in Angriff 
genommen,- A. L. Mayer und Hugo Kehrer. Von Kehrers 
Greco »Werk ist soeben die dritte Auflage erschienen — 
reich an Bildern, vollkommen in buchtechnischer Hinsicht.
	        
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