Volltext: Der Ararat : Glossen, Skizzen und Notizen zur Neuen Kunst (1(1920),11/12)

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Versicherungsgesellschaften an Gebühren entgehen 
und daß Tausende von Angestellten wiederum brot* 
los werden. 
Aber wir haben es endgültig satt, auf der einen 
Seite alle Lasten des Zusammenbruchs, die zu neun 
Zehntel dem Handel auferlegt werden, zu tragen, auf 
der andern Seite uns durch eine arterienverkalkte 
Bürokratie die Möglichkeit nehmen zu lassen, unsere 
Umsätze zu vermehren, den soliden Handel als kon 
trollierbare Steuerquelle gesund zu machen und der 
deutschen Kunst so zu dienen, wie es uns Erfahrung 
und Gewissen vorschreibt. Der Herr Geheim-Rat und 
Reichstagsabgeordnete Pfeiffer möge die Sorge für die 
Wohlfahrt der jungen Künstler fürderhin allein tragen. 
Das jüngste Tippfräulein im Finanzministerium hat 
wohl schon die Leichtfertigkeit und Undurchführ= 
barkeit des Erzbergerischen Steuerunsinns erkannt. 
Man schaffe endlich Selbstverwaltungskörper eines 
jeden Handelszweiges mit einem ständigen Berufs* 
pariament und lege diesem von Staats wegen eine 
Abgabe auf. Wie diese Abgabe aber einzubringen 
ist, das überlasse man Fachmännern und nicht 
Assessoren. 
Ich lasse jetzt die Beschwerde im Wortlaut folgen 
und werde im Januar*Heft des zweiten Jahrgangs 
des »Ararat« berichten, ob auch diese wieder —' wie 
die vielen vorangegangenen — nur in »wohlwollende 
Erwägung« gezogen wurde. Hans Goltz. 
An den Herrn Reichskunstwart 
Reichsministerium des Innern. 
Die Unterzeichneten erlauben sich, dem Herrn Reichs* 
kunstwart eine Beschwerde zu unterbreiten, weil sie der 
Meinung sind, daß durch die neue Zusatzbestimmung zum 
Luxussteuergesetz (Änderungsentwurf, eingebracht von 
Dr. Pfeiffer und Genossen in der Sitzung des Reichstags 
vom 30. Juli 1920) eine schwere Schädigung ihres Standes 
und zu gleicher Zeit eine große Benachteiligung der leben* 
den deutschen Künstler entstanden ist. 
Die Unterzeichneten machen darauf aufmerksam, daß, 
falls das Gesetz bestehen bleibt und keine Änderung un= 
mittelbar in Aussicht steht, sie entschlossen sind, die Ver* 
anstaltung von Kunstausstellungen vom 1. Januar 1921 
an einzustellen. 
Eine eingehende Begründung des Gesuches liegt bei. 
Der neue Zusatz zum Luxussteuergesetz besagt zwar, 
daß der Verkauf von Werken der bildenden Kunst leben* 
der deutscher Künstler von der Luxussteuer befreit ist, 
falls diese Kunstwerke vom Käufer direkt im Atelier des 
Künstlers erworben werden, daß aber an dieser Befreiung 
nicht die Verkäufe von Kunstwerken teilhaben, die den 
Künstlern gehören, wenn sie in einer Kunstausstellung, 
bei einem Kunsthändler, durch einen Kommissionär oder 
.sonst irgendwo außerhalb des Ateliers erfolgen. 
Zunächst führen wir Beschwerde darüber, daß eine 
solche Gesetzesbestimmung geschaffen werden konnte, 
ohne daß vorher die Fachleute zu einer Beratung hinzu* 
gezogen worden sind. Es entspricht nicht dem Wesen 
eines demokratischen Staates und seiner Verfassung, daß 
für eine ganze Gruppe arbeitender Menschen ein Gesetz 
geschaffen wird, ohne daß sie vorher gehört werden. Es 
drückt sich in der Art der Gesetzesschaffung eine unbe* 
rechtigte und unerlaubte Verachtung unseres Standes aus, 
gegen die wir uns mit tiefster Entrüstung wenden. Es 
erscheint unstatthaft, daß ein Gesetz über die Theater* 
Direktoren geschaffen wird, ohne daß vorher die Theater* 
Direktoren wie die am Theater beschäftigten Künstler ge* 
fragt werden. Es ist ebenso unstatthaft, daß eine Ge* 
setzesbestimmung, die so tief in den Betrieb der Kunst* 
ausstellungen eingreift, geschaffen wird, ohne daß vorher 
die Ansicht der Kunst*Ausstellungsleiter gehört wird. 
Soweit wir erfahren habep, ist niemand gefragt worden, 
außer einigen Künstlern. In den folgenden Ausführungen 
werden wir zu beweisen suchen, daß die Künstler, die ge* 
fragt wurden, entweder nicht die Interessen aller Künstler 
haben wahrnehmen wollen oder daß ihnen die Einsicht 
über die Organisation der Verwertung von Kunstwerken 
fehlt. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß viele Künstler, 
und zwar gerade die bedeutendsten, durchaus nicht dafür 
begabt sind, organisatorische Fragen klar zu durchschauen. 
Der direkte Verkehr zwischen dem Kunstproduzenten 
(dem Künstler) und dem Kunstkonsumenten (dem Sammler) 
ist immer mehr eingeschränkt worden. Das liegt an der 
gesamten ökonomischen Entwicklung unserer Zeit. Es 
sind nicht mehr die Fürsten, wie zur Zeit der Renaissance, 
es sind auch nicht mehr wenige reiche Bürger, die die Bilder 
erwerben,- an ihre Stelle ist ein sehr großer Kreis von 
Käufern getreten, die sich über das ganze Land verteilen. 
Es ist auch nicht mehr so, daß ein schlesischer Käufer nur 
Bilder kauft, die ein schlesischer Künstler gemalt hat — 
diese lokale Tradition ist bis auf ein Minimum geschwun* 
den — sondern der Sammler aus einer kleinen Stadt Posens 
kauft ebenso wie der Sammler aus einer kleinen Stadt 
Schwabens ein Bild eines norddeutschen oder süddeutschen 
Künstlers. Die ganze Entwicklung der modernen Malerei, 
die einen großen Teil der Künstler veranlaßt hat, auf dem 
Lande zu leben, einen anderen Teil ins Ausland geführt 
hat und den allergrößten Teil aller Künstler in gewisse 
Kunstzentren zusammengedrängt hat, in denen der Künstler 
die Anregung durch die Kameraden, die Anregung durch 
die Museen, die Leichtigkeit des Modells und des Ateliers 
fand, hat schließlich zu einer starken Trennung von Kunst* 
Produzenten und Kunstkons umenten geführt. Als Ver* 
mittlung blieb der Kunsthändler und vor allem die Kunst* 
ausstellung. 
Zunächst fanden in den Kunstzentren wie München, 
Berlin, Düsseldorf, Ausstellungen statt, die vom Staat und 
der Kommune gefördert wurden. Daneben aber entstanden 
sehr bald in allen größeren Städten Deutschlands bis 
hinunter zu den ganz kleinen Kunstvereinen oder
	        
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