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JA, SO SIND DIE DEUTSCHEN NUN MAL
Man sollte es nicht glauben. Etwa auf der Elektrischen, oder
sonst wo zu Weihnachten bei Wertheim, oder wenn Hindenburgs
Podex gezeigt wird, oder gar Fritze Ebert sich in die Kaiserstan
darte schneuzt: da staune, was für tiefe Gedanken bei so einfachen
Menschen wie etwa dem Telegraphenassistenten August Leist zutage
kommen. Na, das liegt mal so im Blut, in der Luft, in der Stullen
wirtschaft oder am Biere — diese Kerls, diese Deutschen haben
allesamt Geist, Geist, ganz revolutionären Geist. So sagte unlängst
August Leist: bei der Käsestulle sind sich die Menschen am nächsten,
nach dem Zähneputzen am fernsten — darum habe ich so schlechte
Zähne. Eigentlich bin ich Scheidemannianer — aber warum denn?
Weil der Kaiser ein Lumpe war und die Offiziersehre verletzte. —
Das soll nun mal son Franzose oder Engländer oder Russe oder
Italiener sagen! Fällt ihm garnicht ein! Liegt an der romanischen
Indolenz; faule Köpfe dort. Oder wie Hindenburg sagte: man
kann ruhig den Kopf verlieren, das macht nichts, wenn man keinen
hat. Dafür sehe man immer feste auf einen Blickpunkt und man
kann nicht umkommen.
Ja, große Leute sind die Deutschen doch, da hilft nichts gegen.
In sechs Jahrhunderten haben sie nur sechs internationale Köpfe
hervorgebracht, Bach, Mozart, Goethe, Heine, Nietzsche und Marx
— das ist keine Schande in so langer Zeit. Besonders, wenn man
bedenkt, daß diesen Undeutschlingen, dieser geringen Anzahl
Juden, eine Unmenge ebenso dummer Ausländer gegenüber
stehen — ja, das ganze Europa besteht rund um das Reich der
Mitte, um Deutschland aus Ausländern.
Son Kerl sieht ja schon greulich aus, ganz undeutsch, ohne
Bauch, ohne Bart — ’n richtiger Weiberfraß. Immer tipp topp
angezogen, benützt ’ne Hosenpresse, ’n Schlafanzug — absolut
keine Spur von deutscher Bescheidenheit im Aeußern. Dagegen
sehen Sie mal den August Leist an: Kragen everklear, acht Wochen
tragbar, Vorhemdchen und Röllchen, Anzug aus Kriegsgewebe,