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VOM NEUEN FREIEN DEUTSCHEN REICH
Majestät Fritz trank den letzten Schluck seines silbernen Hoch
zeitsbieres, wischte das Maul ab, schob ein Fettbein über das andere,
und sprach: Seien wir uns doch klar, es ist alles billig, selbst das
Geld ist heute billig, denn wir leisten nichts und kriegen gut be
zahlt. Hoch Kapitalismus und Weltwirtschaft, die haben uns weit
gebracht. Der billige Arbeiter, die billige Ehefrau, das billige Kind,
die billige Dirne, die billige Kunst, die billige Religion und Wissen
schaft sind nur da zur höheren Ehre der Weltwirtschaft, die wir,
als Nichtanderskönnende, verkörpern in Wertpapieren, Konkurrenz
fähigkeit, Kredit und Schleuderware. Und da nun mal der Welt
markt Billigkeit erfordert, und da nun mal das Kapital eine Profit
rate vorgesehen hat — und da nun mal die von Gott gewollte
Gesellschaftsordnung Arbeiter für den Fabrikanten und Frau und
Kind für den Mann, und eben auch für uns, die Bürger, die Wohl
anständigen, das Glück geschaffen hat — so ist es doch unser Recht,
unser gutes Recht, nein, sogar unsere Pflicht, keinem einen Milli
meter mehr Recht, Boden, Licht zu gewähren als es uns Vernunft,
Religion, Sitte und Wissenschaft zeigen und gestatten — wenn der
Mann, Bürger, Wohlanständige nicht sich versündigen will an der
nun mal von Gott gewollten Weltordnung. Dies ist billig und also
recht, das haben schon die Klassiker bewiesen. Und so erhalten
wir ohne Anstrengung die Industrie, die Familie, die Prostitution,
die Wissenschaft, die Kunst, die Religion, den Staat aufrecht durch
das Gesetz, das Gott setzte am ersten Tage: Recht hat der, der
Profit schachern kann. Dies war das erste Wort der Schöpfung.
Ich habe heute die allgemeine Landestrauer angeordnet. Aber im
kleinen Kreise, der hier so vergnügt versammelt ist, kann ich doch
einiges Erfreuliche mitteilen. Der Arbeiterrat für Kunst und die
Räte geistiger Arbeiter unter der Führung Kurt Hillers sind auf
einige geradezu schöpferische Gedanken gekommen, würdig un
serer Vorfahren Goethe, Schiller und Kant. Diese Vorschläge sind
mir als Regenten schon vor einiger Zeit unterbreitet worden, aber