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ADOLF KUTSCHENBAUCH
(Eine bürgerliche Entwicklung)
Die Wade ist ein entzückender Muskel. Und wenn wir auch
im späteren Lebensalter die Wade einer Frau, mit einem durch
sichtigen Seidenstrumpf bekleidet höher schätzen, als zum Beispiel
die Bildung, die uns Meyers Konversationslexikon bietet — so war
doch unseres Adolfchens knäblich zarte Wade hübsch, sehr hübsch,
wenn auch, wie gesagt, Adolfchen nichts davon wußte.
Damals wohnte sein Vater in der Reinhardtbrunner Straße in
Gotha, und wir alle waren noch sehr ferne der Zeit, in der die
deutsche Regierung so versaut war, daß sie Ebert hieß und auf den
Brotmarken die Namen unserer hehren Klassiker angebracht waren,
um den Geschmack des ohnehin dumpfigen Brotes noch dumpfiger
zu machen. Adolfchen besuchte damals das Gymnasium. Er war
ein Taugenichts nach der Ansicht seines Vaters: der Familientyrann
wünschte, daß sein Adolf seine etwas verpfuschte Existenz fort
setzen nicht bloß, sondern steigern und damit in einem höherem
Sinne rechtfertigen sollte. Der Knabe Adolf sollte nicht mit Särgen
handeln; — er sollte einst ein feiner Mann werden, alles im Vater
verdrängte und unterdrückte Rittertum glänzend repräsentieren —
kurz, er sollte Bankbeamter und Reserveleutnant werden!
Seines Kaisers Rock tragen, das ist gewiß ein edles Ziel! Mutter
Kutschenbauch hatte zwar einige Bedenken, daß das etwas ver
drießliche Wesen Vater Kutschenbauchs sich dem Knaben Adolf
vererbt habe, (zwar gemildert durch Mutters demütige Natur).
Unser Adolf war mit seinen rotgeränderten Augen, die eine Brille
zierte, seinem runden, flachsblonden Kopf, den abstehenden
Ohren, der länglichen Nase und dem meist offen stehenden Mund
in der Tat kein sehr militärischer Charakter. Seine Neigung, kleine
Tiere, wie etwa Bienen oder Käfer mit Spiritus zu beträufeln und
dann anzuzünden, ließ auf etwas hinterhältige Feigheit schließen.
In seinem vierten Lebensjahr schon zeichnete der Knabe Kut
schenbauch gern Pferdehintern, und einmal, auf einem Spaziergang