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durch Eisenach, während die Kindsmagd mit einem Soldaten schä
kerte, benützte er den günstigen Moment, um einen Haufen Pferde
äpfel durchaus mit seinem kleinen Schuhchen zu zertrampeln.
Auch war er Daumenlutscher, und hatte Anlage zur Unauf
richtigkeit, wozu Vater Kutschenbauchs unerbittliche Strenge und
ein dem Publikum gegenüber serviles Wesen, das im Familienkreis
gerne martialisch sich gab, sein psychologisches Teil beitrug. Kurz,
der etwas vermückerte Knabe benahm sich seinem Naturell gemäß
faul. Bei Gott, wenn damals der Dadaismus schon bekannter ge
wesen wäre, (man schrieb 1896) Adolf Kutschenbauch wäre schon
damals Dadaist geworden. Aber, wie es so geht, er wußte noch
nichts davon, genau so, wie er nicht wußte, daß auch Mädchen
zwei Beine haben; über die Verschiedenheit der Geschlechts
organe ganz zu schweigen.
Ja, was alles eine prüde Erziehungsmethode zustande bringt!
Der Knabe war bereits 14 Jahre, als er durch einen Zufall eine Pho
tographie einer nackten Frau zu sehen bekam (und zwar war dies
in Gotha, bei Onkel Alex) und er fand Gefallen an dem Bilde, das
ihm aber leider um die Körpermitte herum unvollständig erschien.
Kurz, in Unkenntnis der weiblichen Genitalien, malte er sehr sorg
fältig das ihm an sich selbst so wohl bekannte Glied der Photo
graphie an, ein Exempel der beklagenswerten Folgen der christlich
bürgerlichen Erziehungsmethoden, die auf die Aufklärung über Ge
schlechtsdinge so gar keinen positiven Wert legten.
Aber es gibt noch Schulkameraden, die das dem jungen Men
schen nötige Wissen beherrschen und auch verbreiten, und so war
denn unser Adolf bereits ein Jahr später schon unterrichtet genug,
um ein irgendwo ergattertes Exemplar von Mantegazzas Psycho
logie der Liebe lesen und verstehen zu können. Aber bald sollte
unserem nun schon immerhin männlicheren, die Oberlippe mit so
etwas wie einigen Haaren bewachsen tragenden, das 18. Lebensjahr
nach vielen Ohrfeigen und Scheltworten des Vaters wegen Unfähig
keit im Latein und Griechisch, sowie Mathematik, hinter sich haben
den jungen Kutschenbauch eine Reise nach Berlin blühen und seine
sexuelle Aufklärung vollenden helfen. Er hatte es durch unab
lässiges Büffeln doch erreicht, ein halbes Jahr lang so ungefähr
der zweitbeste der Klasse zu werden, denn er war zu feige, zu sehr