Volltext: Hurra! Hurra! Hurra!

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daß sie sich ungeheure Mühe geben zu denken, ohne einen einzigen 
eignen Gedanken jemals fassen zu können — ohne sich je deshalb 
ändern zu können, da sie gar keine Hauptansicht haben, sondern 
nur die deutsche Konvention, die auf das gute Herz zielt und nicht 
auf die unrasierte Wange — ein Standpunkt der ungeheuerlichsten 
Verlogenheit, auf Grund dessen der Deutsche sich selbstdenkerisch 
in der Anwendung einiger neurasthenischer Unarten gefällt; hier 
her gehört das Ellenbogenaufstützen bei Tische, oder das Essen 
mit dem Messer, wenn man den Löffel gebrauchen müßte. 
Ach, zwar war Knigge ein Deutscher, aber er liegt ihnen so 
wenig im Blute, daß er geschrieben werden mußte. Alles üble 
überwindet allein die Erziehung zum Offizier — dieser war auch, 
(leider warl) der einzige deutsche Typus. Denn das Gerede, 
daß Revolutionäre stets deutsch sein sollen, ist Idealismus! Merk 
würdiger Gegensatz, aus Idealismus sind die Deutschen gemein! 
Und insofern ist ihnen noch eine ungeheure Zukunft beschieden. 
Alles dies half aber unserm Adolf nichts. Er lernte in Gotha 
nur die Formen eines Kommentsurrogats kennen, das von Tertianern 
betrieben wird. Wirkliches Studententum in seiner hehren Lümmel 
haftigkeit (und manchmal unbewußten Homosexualität, insofern 
als Annäherung an die Kadettengebräuche die nächsthöchste Er 
ziehungsstufe) lernte er nicht kennen, weil er ja nur Bankbe 
amter werden sollte. Doch — wie er alles halb tat, sollte er auch 
an der Homosexualität nicht vorüberkommen. Er lernte in Berlin, 
in das er zunächst einmal auf ein Jahr kam, bevor er bei seinem 
Gothaer Regiment Nr. 95 einjährig diente, einen gewissen Leonhard 
Merk kennen, der Bildhauer und homosexuell war, und bei dem 
unser Kutschenbauch aus Begeisterung für die Schönheit manch 
mal nackt Modell stand. Dieser Merk hatte ein Zimmer, mit der 
Aussicht auf eine große Pappel und dahinter befindlichen Gärten 
und Häusern, und produzierte im übrigen romantische Schönheits 
begriffe. Adolf Kutschenbauch liebte es, während er mit Leonhard 
nach dem Eisgraben bei Spandau fuhr, oder während er ihm nackt 
Modell stand, über seine Auffassung von der Kunst und der Schön 
heit zu diskutieren. Dabei geschah es, daß er sich einmal auf den 
Merk in einem Anfall unbewußter Homosexualität stürzte, aber 
das Aufleuchten von dessen Augen ließ ihn sofort sich der Unmög-
	        
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