Wollt ihr impotenten Revolutionäre mir sagen, wohin die Spannkräfte eurer Seele geraten sind, wer sie ver
schluckt hat? Man kann ja manchmal mit einem wohlgeordneten Familienleben Revolution machen. Aber
immer geht es nicht. Das wohlgeordnete Familienleben wird immer die Unbedingtheit abschwächen, ver
simpeln und den Typus des Freiheitskämpfers biedermeierlich frisieren. Niemand hat heute ein Recht auf
Familie. Am wenigsten sollten dies die Menschen verkennen, die eine Umwandlung der sozialen und ethischen
Welt mit ungebrochener, durch keine anderen niederen Pflichten zerstreuter Intensität herbeiführen wollen:
denn der herrliche Wahn hat heute wieder die meisten Gemüter beruhigt: es ist alles beim alten.
Tatsächlich, im Stillen kam mir die erstaunte Frage: hat die Erde in der Erschaffung des bürgerlichen
Menschen wirklich den Typus des Menschen gefunden, den sie endgültig haben will? Die Syrup-Süße macht
schon wieder alles klebrig: dies ist der Schleim und die schleimige Waffe des Bürgertums, alles klebrig zu
machen und es dann zu verschlingen. Bleibet hart und wohlgeschliffen, ihr Freiheitsklingen; klingende Seelen,
euer Metall muß rein und makellos sein; keine Geste des Geborgenseins darf euren Klang und euren Gang
behäbig machen. Hütet euch vor dieser europäischen Geste des Parvenüs. Denn der Europäer ist seit langem
schon ein Entwurzelter, ein deracine; und da er in keiner Weise die Sauberkeit und den Mut hatte dies
zu bekennen, so wurde er Parvenü. Parvenü-sein bedeutet: das Vortäuschen von Beheimatet-sein; daher
die hochgeschätzte Familien-Gemütlichkeit. ]a, der Europäer und alle, die seine gemeine Parvenü-Geste als
Religion annahmen, sind Entwurzelte: entwurzelt aus dem Stern Erde, von ihm selbst mit Ekel ausgespien.
Die Erde hat, unmerklich für diese frechen Schwindler, sie mitsamt ihren Wurzeln aus ihrem wunderreichen
Boden hinausgeworfen, und läßt sie in ihrem Hochmut krepieren. Ist die Luft nicht schon seit langem erfüllt
mit dem Gestank dieser Verwesenden? Muß man nicht alles, was heute geschieht, unerbittlich auf Herz und
Nieren prüfen, wie weit es infiziert ist von dem verwesenden Bürgertum, wie weit es nicht nur täuschende
Mimik vom Fiebertode durchschüttelter Materie ist? Das muß man. meine Freunde; das muß man unerbitt
lich! Denn die Gefahr droht an allen Ecken und Enden, es ist die Gefahr, daß vampyrhafte, leere Bürger
seelen sich auf alles stürzen, was junges Eigen-Leben hat. Schlagt sie tot, diese Schweine. Mögen sie
gegenseitig an ihrer Armut saugen und endlich zugrunde gehen. Die Kräfte, die durch Gott und für Gott
gezeugt werden, sind nicht für den Rachen von Parasiten.
Was wir im einzelnen tun werden, das wissen wir noch nicht; aber wir wissen, daß wir die Geißel in der
Hand behalten und mit Wucht das Geschmeiß zusammenschlagen werden, das die Erneuerung der Erde
verhindert. Otto Freundlich.
<Jbei* Cezanne.
jedermann liebt jedermanns Cezanne u. rollt Augen: „Diese Pänthür! Ooo diese Pänthüüüre!“ je m’en fou
de Cezanne, denn er ist ein enormes Stück Malerei, jedermann liebt auch jedermanns Expressionisten, aber
er wendet sich mit Abscheu weg von den genialen Zeichnungen in Pissoirs. Die vollkommenste Plastik hin
gegen ist der Klavierhammer, dada.
9
Expressionismus
Werfels Dienstmädchen singt aus dem Lichtschacht:
Es lächelt DER STROM
Er ladet zum Bade
Der Knabe schlief ein
Am grünen gestade
Symphonische Beeren schimmern vom RHEIN (— DADAj
Schein — dada
Mariengarn heckelt die Welträtsel ein (dadaj
Hoerle.
Max Ernst.
Warum freßt ihr Briketts?
DADA