«Staatskunst», komme sie, von wo sie wolle, aus guten Gründen skeptisch
gegenüber; und da sie «Staatskunst» ist, auch dann, wenn sie scheinbar in
Opposition zur herrschenden Gesellschaftsordnung steht, und trotzdem in
ihrem Un-Geist dasselbe will, so ist damit nicht im wesentlichen Kunst ge-
meint, sondern Propaganda. Dies ist aber eine vielgeübte und vielgepriesene
Form heutiger Malerei, die gegen jeden geistigen Fortschritt ins Feld geführt
wird. Nach diesem Exkurs ins «Mögliche» (wenn man zurückkehren wollte
vor das Jahr 1910) bliebe noch zu erläutern, weshalb es auch nicht besonders
reizvoll sein kann, innerhalb dieser 40 Jahre seit 1910 stehen zu bleiben, etwa
in der Form, daß man sich ausdrücken würde: «A la Klee», «A la Kandinsky»,
«a la Mondrian», oder, was noch öfter vorkommt: «A la Picasso», «A la
Braque», «A la Matisse». Ein großer Teil der heutigen noch fortschrittlichen
Produktion erschöpft sich darin, etwas «A la», in Abwandlung, zu schaffen.
Dabei ist dieses «A la» beinahe zum Ersatz für das Echte geworden und sein
Inhalt eine Variante des Vorhandenen. Ich glaube, daß ein solcher Zustand
künstlerisch untragbar ist, weil man es sich auf keinem Gebiet menschlicher
Tätigkeit gestatten kann, in der Entwicklung stillzustehen.
Worin bestehen nun die Möglichkeiten einer Weiterentwicklung? Die wesent-
lichsten Ausdrucksmöglichkeiten, die heute auf dem Gebiet von Malerei und
Plastik zur Verfügung stehen, scheinen bekannt zu sein, und man darf mit
einiger Sicherheit feststellen, daß (einige Möglichkeiten, die heute schon in
der Luft liegen, ausgenommen) die reinen Ausdrucksmittel weitgehend frei-
gelegt sind und von wenigen Pionieren in ihren Werken angedeutet wurden.
Die Form also scheint vorhanden und geklärt zu sein. Die Frage bleibt
offen, ob auch der Inhalt unverändert geblieben sei und wieweit die Elemente
des Ausdrucks allgemeine Gültigkeit haben, oder ob sie spontane Eingebungen
in speziellen Fällen sind. Bei gründlicher Ueberlegung gelangen wir zu der
Einsicht, daß es sich bisher um Spezialfälle handelte und daß der große Teil
jener Kunstwerke, die als weitgehend mathematischen Einflüssen verpflichtet
empfunden werden, noch nicht dem entsprechen, was ich als Neues in Nach-
stehendem zu erläutern versuchen möchte.
Ich bin der Auffassung, daß es möglich sei, eine Kunst weitgehend auf Grund
einer mathematischen Denkweise zu entwickeln. Gegen eine solche Auf-