Volltext: Antoine Pevsner, Georges Vantongerloo, Max Bill

Konstruktivismus, zusammen mit technischen Konstruktionen, Fliegerphotos 
und ähnlichen Anregungen, die benützt wurden, um einen Ausdruck zu suchen, 
der technizistischen Empfindungen unseres Zeitalters entsprechen sollte. 
Gleichzeitig war die Mathematik auf einem Punkt angelangt, wo vieles un- 
anschaulich wurde; Grenzgebiete sind undeutlich, unerkennbar. Viele Folge- 
rungen können nicht mehr bewiesen werden. Das menschliche Denken ist 
nicht an einer Grenze angelangt; aber es bedarf einer Stütze im Visuellen. 
Diese Stütze findet sich oft in der Kunst, auch für mathematisches Denken. 
Weil er zu einer Einheit strebt, vermittelt der Künstler in seiner Vision eine 
Synthese, auch dann, wenn diese vorerst eine künstlerische Notwendigkeit 
und nicht unbedingt von mathematischer Richtigkeit ist. Auf diese Weise 
verschiebt sich auch hier eine Grenze, sie wird unscharf, wo man einst eine 
klare Trennlinie glaubte. Unsichtbares, abstraktes Denken wird konkret, 
anschaulich und damit auch empfindungsmäßig wahrnehmbar. Unbekannte 
Räume, fast unvorstellbare Azxiome bekommen Gestalt; man wandert durch 
Räume, die es vorher nicht gab, und erweitert durch diese Gewöhnung sein 
Empfinden für weitere Räume, die heute noch kaum vorstellbar, noch un- 
bekannt sind. 
Die mathematische Denkweise in der heutigen Kunst ist nicht die Mathematik 
selbst, ja sie bedient sich vielleicht kaum dessen, was man unter exakter 
Mathematik versteht. Sie ist vielmehr eine Gestaltung von Rhythmen und 
Beziehungen, von Gesetzen, die individuellen Ursprung haben, genau so, wie 
anderseits auch die Mathematik ihren Ursprung hat im individuellen Denken 
der bahnbrechenden Mathematiker. Wie die euklidsche Geometrie für den 
heutigen Wissenschafter nur noch bedingt Gültigkeit besitzt, so gilt sie auch 
für die Kunst nur noch beschränkt. Genau so, wie der Begriff der endlichen 
Unendlichkeit für mathematisches und physikalisches Denken lebensnot- 
wendiges Hilfsmittel ist, so ist er lebensnotwendiges Mittel künstlerischen 
Gestaltens. Und in diesem Sinne werden vermittels der Kunst heute neue 
Symbole geschaffen, die wohl ihren empfindungsmäßigen Grund schon in 
der Antike haben, aber die, wie kaum eine andere Ausdrucksmöglichkeit des 
Menschen, die Gefühlswelt unserer Zeit erfüllen können. 
Das Geheimnisvolle der mathematischen Problematik, das Unerklärbare des
	        
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