Mit der Ausstellung „Kunstschätze der Lombardei“ besitzt Zürich wieder für
einige Monate ein Kunstmuseum. Man denkt an „Zeichnen, Malen, Formen“ von
1939 und an die Doppelausstellung im Kunsthaus und im Kunstgewerbemuseum
„Meisterwerke aus Oesterreich“ von 1946/47. Wieder geht es nicht um die Dar-
stellung einer bestimmten Künstlerfigur oder um einen bestimmten nach Zeit
oder Ort enger umrissenen Ausschnitt, nicht so schr um Formprobleme inner-
halb der Kunstgeschichte, sondern um ein Stück Menschheitsgeschichte. 1939
boten zur Schweizerischen Landesausstellung Zeugnisse künstlerischen Schaf-
fens, vom Beginn der christlichen Aera noch innerhalb des klassisch-römischen
Rahmens, bis an die Schwelle der Gegenwart, Einblick in die Grundlagen der
Kultur unserer Schweiz; 1946/47 das Prunkgewand einst erdumspannender
Fürstenmacht Ausblick auf weiteste Gebiete künstlerischer Tätigkeit in vor-
geschichtlicher Zeit aus dem Herzen Europas, aus dem antiken Griechenland
und Rom, dann hin und her durch das europäische Festland bis an seine im
Süden, Westen und Norden vom Meer gegebenen Grenzen, und über dieses hin-
weg nach Afrika, Zentral- und Südamerika, auf der westöstlichen Landbrücke
aber nach Vorder- und Mittelasien.
Die Lombardei mit ihren um das große Mailand als Mitte gelagerten Städten
Como, Bergamo, Brescia, Pavia, Cremona, Mantua ist unserem kleinen Land an
Umfang ziemlich gleich. In der wehrlos weit offenen Ebene hat sie, anders als
die in abweisenden und streng gehüteten Grenzen bewahrte Schweiz, durch die
Jahrhunderte in hartem Wechsel so hohes Glück wie tiefstes Unglück erfahren
und ertragen. Sind neben einem vielbewegten bedeutungsschweren und verhäng-
nisvollen politischen und militärischen Geschehen die gleichzeitig entstehenden
Werke der bildenden Kunst nur Nebenher? Nur bunte Hülle? Oder gar Ver-
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