Jacopo Robusti genannt Il Tintoretto
Geboren 1518 in Venedig, gestorben ebendort 1594. Seine Anfänge sind mehr als durch
die angebliche Lehre bei Tizian durch die Kunst der Bonifacio Veronese, Pordenone,
Paris Bordone bestimmt. Aus der Kenntnis Schiavones und des römischen Manierismus
nach Michelangelo gelangt er kraft seines Genies zu einer leidenschaftlichen Kunst der
Abkürzung, deren Ausdruckskraft noch gesteigert wird durch die heftig streichenden
Lichter, welche die Formen der Gestalten aus dem Dunkel der Atmosphäre hervorholen.
Das Streben nach ungewohnten Kompositionsformen, gewagten und schwierigen Ver-
kürzungen, Effekten des Gegenlichts steht in seinen großen religiösen Bild-Zyklen im
Dienst visionären Ausdrucks, der sich freilich manchmal dem äußerlich Bühnenmäßigen
nähert. Indem er sich in Gegensatz stellt zu Paolo Veroneses heiter-klarer Raumschönheit
und zu seiner weltlichen Pracht, verkörpert Tintoretto in der venezianischen Kunst jene
Richtung, welche die romantische Vergeistigung Grecos ebensosehr vorbereitet wie die
glühende Sinnlichkeit eines Rubens.
762 BILDNIS DES PROKURATORS JACOPO SORANZO
Leinwand 60X 75
Mailand, Museo Civico del Castello Sforzesco
Stammt aus der Sammlung Bolognini. Berenson (31) hat anhand einer Angabe von C. Yicenzi
herausgefunden, daß dieses Bildnis ursprünglich den mittleren Teil einer größeren Leinwand
ausmachte, auf der links und rechts Familienangehörige des Prokurators abgebildet waren.
Diese Fragmente befinden sich heute auch im Castello Sforzesco, sind vermutlich aber nicht
eigenhändig, während der alte Prokurator zweifellos zu den schönsten Bildnissen des Tinto-
retto gehört. Malerisch von unerhörter Frische und prickelnder Präzision des Pinselzugs in
der Wiedergabe des Pelzwerks, der Gewandstoffe und in den subtilen Akzenten der Gesichts-
züge (Coletti, 69, S. 9: Von der Bercken, 327a, S. 115).
Die Datierung liegt um 1550, was der 1551 erfolgte Tod des Dargestellten bestätigen dürfte.
Ausgestellt 1930 an der Ausstellung Italienischer Kunst in London als Nr. 389 (346, 8. 217),
1937 an der Tintoretto-Ausstellung in Venedig (351, Nr. 10) und 1938 an der Ausstellung
Italienischer Porträtkunst in Belgrad als Nr. 75 (352, S. 39).
763 BEWEINUNG CHRISTI
Leinwand 165X129
Mailand, Sammlung des Grafen Paolo Gerli
Großartige Komposition, auf zwei in verschiedenen Richtungen strebende Achsen aufgebaut,
indem der blockhaften Hauptgruppe in der Mitte die Figur links in starker Bewegung ent-
gegengesetzt ist. Die ausladende Kurve, welche die beiden klagenden Figuren über dem Toten
zu einer Einheit zusammenschließt, wird durch die einen Bogen bildende Linie der Arme noch
unterstrichen. Das Werk ist mit raschen, breiten Pinselstrichen gemalt und dürfte auf Weit-
sicht hin angelegt sein. Datierung wahrscheinlich um 1560.
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