«dessen Lehre auf der Natur und den großen Meistern gründete,
und in absoluter innerer Freiheit und geistiger Unabhängigkeit».
Eine Photographie seiner Klasse von 1894 zeigt unter mehr als
achtzig Köpfen außer Rouault auch Henri-Matisse, Marquet,
Manguin, Charles Guerin, Camoin, Gefährten, die im neuen Jahr-
hundert in den Gruppen der «Fauves>» und des Salon d’Automne
wieder begegnen. Rouault als erster bekennt sich nicht nur als
Schüler, sondern als Jünger dieses Meisters.
Mit Kompositionen, wie «Simson die Mühle treibend», von
1893, dem zwölfjährigen Jesus vor den Schriftgelehrten von
1894, verschiedenen Fassungen einer Beweinung Christi von
1894/96, dem Gang nach Emmaus, die alle einen überlieferten,
bestimmten Vorgang illustrieren, bleibt er vorerst in dessen
Spur.
Der Tod von Gustave Moreau im Jahre 1898 nimmt wie
Rouault auch Henri-Matisse und manchem ihrer Gefährten den
Berater, Helfer und Freund. Dieses Haltes beraubt, sucht Rouault
noch mehr als bisher bei Rembrandt Halt, versinkt aber bald in
eine Krisis von äußerer und innerer Not, materiellen und see-
lischen Schwierigkeiten, auch nicht ohne schwere medizinische
Krankheit, aus der er nach einem Aufenthalt am herbstlichen
Genfersee verändert und wie zum zweitenmal erwachsen, sich
wieder aufrichtet. « Une sorte de declenchement se produisit.
Je me mis a peindre avec frenesie. » Was er im ersten Jahrzehnt
nach 1900 nun malt, ist ohne Vorbild und Beispiel. Hinweise auf
die französische Glasmalerei des zwölften und dreizehnten
Jahrhunderts, auf Daumier, Degas, Toulouse-Lautrec, geben den
Schlüssel nicht. Rouault nennt gelegentlich Goya.
1902 erfolgte die Einsetzung von Rouault als Konservator des
Musee Gustave Moreau, als Hüter von dessen künstlerischem
Vermächtnis; neben einem um eine Generation älteren Mit-
freund des verehrten und geliebten Meisters, dem Maler Henri
Rupp, als Verwalter. Da konnte zu gewissen Stunden ihn nun an-
treffen, wer mit dem abseitigen Werk des Meisters und Lehrers
oder den befremdenden Wagnissen des Schülers und Jüngers zu
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