Jean Arp
Ueber die Malerei von Sophie Taeuber-Arp aus
„Die Welt der Erinnerung und des Traumes“‘
Sie malte die Seele des Traumes, die unsichtbare Wirklichkeit.
Sie zeichnete lichte, geometrische Botschaften. Sie zeichnete
Linien, die in grundlose Tiefen loten. Sie zeichnete ernste
Linien, lachende Linien, weißglühende Linien, verwirbelte
Linientänze, zackige Wirbel, Blitzgitter.
Sie ließ Linien wild um Linienbündel flackern, bis Linien und
Linienbündel zu Blumenbränden aufflammten. Sie ließ Linien um
erstarrte Punkte wirbeln, plötzlich anhalten, sich hold besinnen
und sich zu Formen zusammenschließen, aus denen es glitzert
wie ein Frühlingstag. Sie hat das goldene Strahlengebein der
Sterne gemalt. Sie ließ Punkte schamhaft erröten. Sie ließ
Punkte zu Beeren, zu riesigen Früchten, zu Sonnen anwachsen.
Sie ließ Punkte zu Asche zerfallen. Sie hat Perlen in weiße
Beete gesät und darauf Monde gezogen. Sie hat Bahnen für
selige Flüge gezeichnet. Sie hat das Leben der geschlossenen,
nach innen singenden Augen gemalt. Sie hat den Umriß der
Stille gezeichnet.
In der Welt des Traumes und der Erinnerung wuchert undurch-
dringliches Dunkel und blüht reines Licht. Diese Dunkelheit und
dieses Licht bedeuten jedoch nicht Tag und Nacht wie unser
irdischer Tag, sondern sind eines mit dem Unendlichen.