Volltext: Wegleitung zur Allianz-Ausstellung 1947

SD 
Max Bill 
Worte rund um Malerei und Plastik 
(über den Sinn theoretischer Artikel, Werktitel und Begriffe) 
Es mag manchem Betrachter moderner Kunst schon aufgefallen 
sein, daß wir selbst immer wieder zur Feder greifen; denn öfter 
kann man vernehmen, daß Maler zu malen, Plastiker zu pla- 
stiken, Schuster zu schustern, also bei ihrem Leisten zu bleiben, 
nicht zu schreiben, geschweige denn zu denken hätten. 
Diese weitverbreitete Ansicht ist falsch. Heute wird viel und 
über alles geschrieben. Von dem, was über Kunst geschrieben 
wird, ist das wenigste authentisch, und daher wird das wenigste 
der Kunst gerecht. Vor allem über neuste Kunst werden Urteile 
meist ohne die nötige Verantwortung gegenüber einem mög- 
lichen Fortschritt, ohne die nötige Kenntnis und Erkenntnis, 
sondern meist unter dem Eindruck der persönlichen Eindrücke 
des Kritikers gefällt. Diese aber sind nicht maßgebend zur 
Beurteilung künstlerischer Ereignisse; dafür ist allein der 
Künstler verantwortlich, denn er kennt die Zusammenhänge 
seiner Arbeit; er ist Mittler zwischen dem rein Erfindungs- 
mäßigen, dem rein Sentimentalen, dem rein ästhetischen Be- 
dürfnis seiner Epoche. Es sind also einzig die Aeußerungen der 
Künstler authentischer Ausdruck ihres Denkens. Richtigkeit 
und Richtung dieses Denkens sind maßgebend für das Aus- 
sehen und den Gehalt des Kunstwerkes; denn letzten Endes 
ist jedes echte Kunstwerk nicht nur ein Spiel mit gegebenen 
Möglichkeiten, sondern in weit bedeutenderem Maße die Manife- 
station einer bestimmten Geisteshaltung und Weltanschauung. 
Bildende Kunst ist also im Schlußresultat optisch dargestellte 
Philosophie, gestaltete Moralität. Deshalb ist es wesentlich, 
welche moralische Haltung dem Kunstwerk zugrunde liegt und 
wie weit persönliche Verantwortung oder Zufall den Anstoß 
zum Zustandekommen eines Kunstwerkes geben. 
Schon daraus ist leicht zu erkennen, weshalb Künstler denken 
müssen und weshalb sie gezwungen sind, auf andere Weise ihre 
Gedanken zu formulieren als ausschließlich innerhalb ihrer 
Werke. Aber trotz diesen mehr aus äußerer Notwendigkeit ent- 
stehenden authentischen Aeußerungen bestehen öfter Unter- 
schiede zwischen theoretischer Feststellung und erreichtem 
Resultat; schon aus diesem Grunde verläßt sich der Betrachter 
moderner Kunst mit Vorteil auf den Eindruck, den er selbst 
empfindet, wenn er die Werke offenherzig betrachtet. 
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