Full text: Oskar Kokoschka

Wem es beschieden war, Ferdinand Hodler von seinen Erleb- 
nissen und Erfolgen in Wien, bei Künstlern, Sammlern, Frauen 
(„und Weiber! Weiber!“ konnte er ausrufen) erzählen zu hören, 
in dem mochte sich die Vorstellung einer Stadt voll Kunst- und 
Lebensfreude, voll Helligkeit und Schönheit bilden; von einem 
Wien, neben dem München fast bäurisch und dumpf, Paris 
überspitzt und luftleer erscheinen mußten. Hodler hat in seinem 
Werk in diesen Jahren von 1903 bis 1912 aus Wien manches 
nach Hause gebracht, was weder die Atmosphäre von Paris noch 
die von München, noch weniger die Schweiz ihm hätte ver- 
mitteln können: gewisse an „Jugendstil“ und Wiener Sezession 
gemahnende Kurvaturen, eine bestimmte Art Huldigung an das 
Weib oder von Gegenüberstellungen von Mann und Weib, ge- 
wisse Formen und Formulierungen für Schlagworte einer mon- 
dänen und modischen erotischen Sentimentalität; die Prägung, 
nicht gerade einer Weltanschauung, aber doch der tatsächlichen 
Einstellung einer Gesellschaft von freien Herrenmenschen, von 
ästhetischen Genießern und glücklichen Müßiggängern, eine Be- 
stätigung von Wien als der schönen, leichtlebigen Phäakenstadt. 
Wien schien der Malerei von Hodler neue Farbe und noch 
größere Helligkeit und, wenn nicht ein neues Feuer, so doch eine 
neue, in der Schweiz vorerst überraschende, wenn nicht befrem- 
dende, Hitze verliehen zu haben. Hodler und seine Freunde 
erzählten auch von neuen, ganz modernen, Wiener Malern, von 
einem raffinierten neuen Wiener Kunstgewerbe, und zwischen- 
hinein von einem neu entdeckten Wiener Wunderknaben, der 
Maler, Zeichner und Dichter in einem sei. 
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