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Die Ausstellungen „Wiener Künstler“ vom August 1915
und „Deutsche Malerei des XIX. und XX. Jahrhunderts“ von
1917 brachten jede nur wenige Bilder und Zeichnungen von
Kokoschka, die in ihrer Vereinzelung den Eindruck der Kollek-
tion von 1913 weder aus zu löschen noch zu erweitern ver-
mochten. Auch „Ein Jahrhundert Wiener Malerei“ von 1918
lieferte mit nur drei Bildern keinen entscheidenden neuen
Beitrag. Egon Schiele hatte vier Bilder, Franz Wiegele sieben,
Gustav Klimt fünfzehn. Von ihm schrieb der Wiener Maler
Carl Moll im Katalogvorwort, er sei „vielleicht das echteste
Wiener Kind der Jetztzeit, mit seiner vom Orient berührten
Sinnlichkeit, mit seinem in Schönheit aufgelockerten Intellekt“.
Eine neue Bewährungsprobe für Kokoschka und die Zürcher
Kunstfreunde bedeutete aber seine Beteiligung an der inter-
nationalen Ausstellung vom Sommer 1925. Unter den insgesamt
480 Werken von 42 Künstlern aus allen Ländern Europas
erschien er zwar nur mıt der Durchschnittszahl von 10 Werken,
während z. B. Derain 21 hatte, Henri-Matisse 36, Georges
Rouasnlt 33. Die fünf frühen Bildnisse Peter Altenberg, Dr. von
Janikowsky, Frau Hirsch, Signor Verona, Frau Bessie Loos,
hatten schon der Kollektion von 1913 angehört. In der an-
spruchsvollen Umgebung kamen sie aber jetzt erst richtig als
Meisterwerke zur Geltung. Ein Selbstbildnis von 1914, der
Hafen von Stockholm von 1917, die Dresdener Elblandschaft
und die Komposition „Loth und seine Töchter‘ von 1923 leuch-
teten im Glanz neuer Farben und der Kraft des Aufbaues als
verheißungsvolle Wegzeichen zum mächtig entfalteten Gesamt-
werk des vom Jüngling nun zum Mann gewachsenen Künstlers.
Die Zeit für das Wagnis einer Gesamtausstellung war da.
Zürich erhielt sie im Sommer 1927 mit 101 Gemälden aus
dem Zeitraum von 1908 bis 1927 und 150 Aquarellen, Zeich-
nungen und Lithographien von 1907 an. Für Zürich trat damit
Kokoschka in eine Reihe mit Liebermann, Munch, Corinth und
Picasso, mit denen es in jenen Jahren ähnlich groß angelegte
und zusämmenfassende Ausstellungen durchgeführt hatte.
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