6
das ungarische Volk sich auf sich selbst besann, in der seine
Eigenart zum Ausdruck kam, später einigermaßen in der
Bildhauerei und erst an letzter Stelle in der Malerei, um
dann hier das ungarische Schönheitsideal umso packender
zum Ausdruck zu bringen. In der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts wurde es dann offensichtlich, daß die Malerei
dem Ungarn am nächsten steht.
In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, zu
Beginn des künstlerischen Entwicklungsganges, standen die
ungarischen Maler fast ausschließlich unter dem Einfluß
Wiens, die hervorragendsten T alente aber arbeiteten als hoch-
geschätzte Künstler ständig im Ausland, unter anderem in
England und Italien ; in der zweiten Hälfte des 19. Jahr-
hunderts aber finden sich die ungarischen Maler bereits mit
sicherem Blick in der europäischen Malerei zurecht. Ver-
hältnismäßig früh gelangt man zu der Erkenntnis, daß der
ungarischen, K ünstler unter Wahrung der nationalen Eigenart
am erfolgreichsten von den Franzosen lernen kann, ist doch
auch der Ungar mehr für die malerischen Werte, für Licht-
erscheinungen empfänglich, als für zeichnerische. Also wurde
der französische Einfluß für die ungarische Malerei in ihrer
Selbstbesinnurg von besonders befruchtender Wirkung. Auf
diesem Weg gelangte dann die ungarische Kunst zu der Ent-
faltung des nationalen Stils. Der romantische Viktor Madardsz
war der erste ungarische Maler, der 1861 im Pariser
„Salon‘‘ die goldene Medaille erhielt ; kaum zehn Jahre
später folgte ihm Michael Munkdcsy, der zwanzig Jahre hin-
durch in Paris als Fürst der Maler gefeiert wurde ; nach
seinem Tode jedoch stellten einige sogar seine Begabung
in Abrede.
Die zwischenstaatliche Rehabilitation Michael Munkdcsys
gehört zu den heiligsten Pflichten der ungarischen Kunst-
geschichte. Um nämlich die Kosten seines verschwenderischen
Haushaltes bestreiten zu können, beschäftigte der Meister,
leider. Schüler, die von seinen Gemälden Kopien und nach-
trägliche Skizzen anfertigten, die dann Munkdcsy mit einigen
genialen Pinselstrichen beendete und mit seinem Namenszug