Ängste und Gelüste in ein ıhn überlebendes Gebilde zu kerben,
hier gibt es noch äußerst ernsthafte Wettbewerbe unter Jungen
Bauernmädchen, die ihre Hemdblusen, treu der Überlieferung
ihrer Gegend, ohne Vorlagen und vollends aus der schöpferi-
schen Substanz ihrer freien Phantasie sticken, hier kniet man
noch in wortloser Ergriffenheit vor primitivsten Glasikonen,
vor der farbigen Kalligraphie eines Heiligenbildes, dessen leises
Gold hinter der Patina und dem Kerzenrauch von Jahrhunder-
ten erlischt. Da ist Kunst noch nicht schaler Selbstzweck oder
die Angelegenheit von Feinschmeckern, eingeschlossen in die
wichtigtuerische Formelwelt eines esoterischen Kreises,
In Rumänien vermag man die organische Verbundenheit
zwischen den Künsten täglich zu erleben. Die Volksdichtung
findet heute noch neue Bilder und Reime, gedeiht am Sonntag
neben dem Hora-Rundtanz, antwortet den schwunghaften oder
den schwermütigen, langgedehnten Weisen der Geigen-, Zimbal-
und Cobza-Spieler. Dichtung und Tanz und Gesang und Volks-
tracht und Bauernornamentik und alle Spielarten angewandter
Kunst sind hier eins, Ausdruck und Gepräge dieser Welt, in der
die Allmacht des Mythischen webt, wo alles Märchenhafte nah
und bei jedem Schritt erreichbar scheint.
Der thrakische Kulturunterbau dieses Gebietes weist in der
Volkskunst deutlich die nahen Beziehungen zu benachbarten
und auch fern nach dem Norden unseres Erdteils versprengten
Völkern auf. Von einem bessarabischen Teppich, dessen Grund-
ton — ein Grün, ein Braun oder Schwarz — der vorherrschenden
Farbe des Wiesen-. Wald- oder Ackerlandes entspricht, auf dem
er in emsiger, geduldiger Langsamkeit gewebt wurde, bis zu den
Teppichen der Slowakei, ja bis zu den «Rijen» Finnlands und
der dekorativen Linien- und Flächenrhythmik skandinavischer
Volkskunst ist innerlich kaum viel mehr als ein Schritt. Kunst-
formen sind auch für den Rumänen und seine Ahnen nur bis
zur ‘Synthese geläuterte Naturformen, gesteigert bis zum ab-