Wir haben uns angewöhnt, die Überschrift eines
Bildes als die Erklärung für sein Vorhandensein,
als seinen Anlaß ‚und Inhalt, als Formulierung der
Aufgabe seines Urhebers zu verstehen. Mit dem
Aufbau des Bildes wird seine im Titel gegebene
Substanz eingekleidet, durch die Form der Inhalt
sichtbar gemacht, und schließlich das Kunstwerk
vollendet in der Verschmelzung von Inhalt und
Form. Wer bei Paul Klee vertrauensvoll sich den
Titeln als Führer zu den Aussagen der Bilder über-
läßt, glaubt gelegentlich feststellen zu müssen, daß
er in den April geschickt wird. Das Bild zeigt nicht
den durch den Titel verheissenen Inhalt, vielleicht
ein Zerrbild davon, vielleicht ein Trümmerstück. In-
halt und Form decken sich unvollständig oder nicht.
Der Verdacht regt sich, daß Klee nicht selten die
Überschrift nach dem werdenden oder schon fertigen
Werk zu-erfunden, nicht dieses nach dem gegebenen
Titel und Thema geschaffen hat. Die Form wäre
danach vorhanden vor dem Inhalt, oder selber
der eigentliche, andere Inhalt des Werkes. Ähn-
liches bekennt — sogar — Friedrich Schiller, wenn
er sagt, daß er oft einen Versrythmus und -Klang
in sich trage, zu dem er den Stoff von entspre-
chender Haltung — das Kleid — noch suchen
müsse. Dies ist für den Besucher der Ausstellung
Klee die Einladung, einmal den Weg nicht von der
Überschrift zum Werk zu nehmen, sondern mit der
Betrachtung des Werkes zu beginnen, und nicht
vom Katalog zur Ausstellung, sondern einmal zu
dieser und dann erst zum Katalog.