Cuno Amiet siebzigjährig
von W. Wartmann*
In der Bibliothek meines Vaters, die im Hause den schweifenden Wün-
schen des Knaben als ebenso grenzenloser Weidegrund offenstand, wie
draußen das ostschweizerische Hügelland, die Ufer von Bodensee und
Rhein und die Appenzeller Berge, fesselte inmitten der gewichtigen
geschichtlichen Quellenwerke und des betörenden Dichterwaldes aller
indogermanischen Völker oft Blick und Gedanke ein ernstes, schmales
Büchlein. Seine feine Rückengoldschrift trug den auf Auge und Ohr
romanisch-gehalten und gleichzeitig leicht und geschmeidig wirkenden
Autornamen «Amiet>» und den von o und u voll und rund klingenden
Inhaltsvermerk «Solothurn im Bund». Innen erwies sich das schön ge-
druckte und mit Sorgfalt ausgestattete Bändchen als eine urkundliche Dar-
stellung des Eintritts von Solothurn in den Bund der Eidgenossen «auf
den vierhundertjährigen Erinnerungstag des 22. Dezember 1481, von J.J.
Amiet, Staatsschreiber». mit einem zuchtvoll knappen, durch reiche Fuß-
noten und Urkundenbeilagen, ja sogar glasklarer Photographien von
Urkunden fundierten Text. Es konnte wohl dem neugierigen Kinde ersten
Begriff und Respekt vor Regiment und Schule der strengen Klio geben.
Der Student begegnete dem Solothurner Staats- und Geschichtsschreiber
in weiteren substanziellen und präzisen kurzen Abhandlungen und Auf-
sätzen, wie wohl die täglichen Ansprüche seiner Beamtung allein sie ihm
erlaubten — so wertvollen Urkundennachweisen zu dem Zürcher Maler des
16. Jahrhunderts: «Hans Aspere, des Malers Leistungen für Solothurn, ein
Beitrag zur Schweizerischen Kunstgeschichte», von 1866 —, und in dem
Exemplar der Zürcher Zentralbibliothek einer Arbeit von 1868 «Die Bur-
gunderfahnen des Solothurner Zeughauses, Beiträge zur Geschichte der
* (Nach «Neue Zürcher Zeitung> Nr. 546, 27. März 1938)
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