Volltext: Marianne von Werefkin 1860-1938, Ottilie W. Roederstein 1859-1937, Hans Brühlmann 1878-1911

Ein reiches Künstlerleben hat durch den Tod Ottilie W. Roedersteins 
am 27. November 1937 seinen Abschluß gefunden. Leidenschaftliche 
Arbeit hat es ausgefüllt, bis wenige Tage vor dem Ende die Kräfte der 
Nimmermüden plötzlich versagten und das Atelier, in dem Bilder noch 
kaum getrocknet auf den Staffeleien standen, verwaiste. 
Ottilie kam als Kind deutscher Eltern in Zürich zur Welt. Schon früh 
war Zeichnen ihre liebste Beschäftigung. Zum großen Jugenderlebnis 
wurde ihre Begegnung mit Maler Pfyffer, als dieser ihre Eltern und die 
drei Töchter porträtierte. Während der Künstler malte, porträtierte die 
neunjährige Ottilie ihre Puppen mit Geschick. Der Maler spendete ernst 
gemeinten Beifall und entzündete im Kinde den Funken, der sich zum nie- 
mehr erlöschenden Feuer entfachte. Doch wurde es der Tochter nicht 
leicht, die innere Berufung bei der Mutter durchzusetzen. Mit 16 Jahren 
verließ sie die Schule und gab sich Zeichen- und Malarbeiten hin. Ein 
eindrucksvolles Porträt des Großvaters (Katalog Nr. 55) erbrachte den 
unwiderlegbaren Beweis des Talentes und eroberte der Siebzehnjährigen 
die Erlaubnis, in Pfyffers Malschule in Zürich einzutreten. Die Verheira- 
tung der älteren Schwester nach Berlin öffnete Ottilie «nach harten 
Kämpfen» im Alter von 19 Jahren die Möglichkeit, sich im Atelier des 
Malers Gussow weiterzubilden. Dort gelangte, auch durch das Studium 
der alten Meister gefördert, das Können der Künstlerin zur vollen Reife. 
In diese Zeit fiel ihre Begegnung mit Karl Stauffer, Bern, der sie gern als 
Schülerin in seinem Atelier gesehen hätte. Der Sinn Ottilie Roedersteins 
war aber nach Paris gerichtet, wo sie als Schülerin von Carolus Durand 
und Henner aufgenommen wurde. Im Porträt der Frau M. (Nr. 57) 
offenbart sie Selbständigkeit und Kraft in der Meisterung ihrer Aufgabe. 
Die Betrachtung der Arbeiten, die den Eintritt in diese Malerschule 
rechtfertigen sollten, entlockte Henner die Bemerkung: «Ich weiß nicht 
was Sie bei uns lernen wollen, Sie haben ja Ihren Stil, der nicht der 
meinige zu sein braucht, um gut zu sein, aber wenn Sie es durchaus wün- 
schen, ist unser Atelier für Sie offen.» Rückblickend stellte Roederstein 
später die Frage: «Hätte ich meine persönliche Ausdrucksform früher und 
anders entwickelt, wenn ich nicht durch diese französische Schule gegan- 
gen wäre, wer kann es wissen? Jedenfalls habe ich in Paris viel gelernt 
und dem Verkehr mit bedeutenden Künstlern verdanke ich wertvolle 
Anregungen.» Sie wurde in Paris mächtig angespornt und erntete mit 
ihren Arbeiten reiche Anerkennung. Aus dieser Zeit stammen die Bilder 
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